Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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bleiben von den englischen Behörden in der 
Hauptsache unbehelligt, dagegen sind allerdings 
an einigen Missionsstätten Schwierigkeiten zu 
überwinden, die infolge der Kriegsverhältnisse 
durch Treibereien der nicht christlichen Eingebo- 
renen gegen die der Mission angehörigen Ein- 
geborenen in gesteigertem Maße entstehen. 
Im Gegensatz dazu scheint in dem von den 
Franzosen besetzten Teil Togos die Lage der 
Missionen schwierig zu sein. Hier nimmt die 
französische Verwaltung offenbar wenig oder gar 
keine Rücksicht auf die Interessen der Missionen 
und ihrer Angehörigen, während die in der Zeit 
vor der feindlichen Besetzung zum Christentum 
bekehrten Eingeborenen treu zu ihrer Kirche stehen. 
In Ergänzung unserer früheren Mitteilungen 
sei nachstehend im Auszug eine eingehende Schil- 
derung der Ereignisse in Togo bei und nach 
Ausbruch des Krieges gebracht, die ein deutscher 
Kaufmann von der Westküste Afrikas gibt: 
Schon nach der Kriegserklärung Deutschlands an 
Rußland war der Dampferverkehr an der Westküfte 
Afrikas plötzlich wie ausgestorben; eine unheimliche, 
die allgemeine Erregung steigernde Ruhe lag auf dem 
weiten Ozean. Man nahm an. daß die Reedereien zu 
Hause über Englands Pläne Bescheid wüßten. 
Der stellvertretende Gouverneur Herr v. Doering 
fragte beim englischen Gouverneur der Goldküfte und 
bei dem französischen in Dahomey an, ob gemäß dem 
Haager Abkommen die Kolonien von dem Priege un- 
berührt blieben. Nach telegraphischer Rückfrage bei 
den betreffenden Regierungen fielen, wie voraus- 
gesehen, beide Antworten negativ aus. Die deutsche 
Regierung erteilte durch das Reichs-Kolonialamt den 
Befehl, Kamina, eine der größten Funkenstationen der 
Welt, mit allen Mitteln zu schützen. 
Hiermit begann der Feldzug der Vertreter 
dreier Nationen auf tropischem Afrikaboden: ein 
trauriges, die weiße Rasse entehrendes 
Schauspiel vor der schwarzen Bevölkerung! 
Schwarze Soldaten wurden von den Euro- 
päern gegen die eigene Rasse gehetzt. — Die 
Engländer wissen sehr wohl, wie viele Jahre diese 
nutzlosen Kolonialkämpfe die gesamte weiße Rasse in 
der Ergiehung der Schwarzen zurückbringen wird; sie 
rechnen auch damit, die Kolonien wieder zurückgeben 
zu müssen. Nur ihren lange zurückgehaltenen Neid 
über den gesunden Handel und die blühende Farm- 
wirtschaft in den deutschen Besitzungen wollen sie 
kühlen und beides zeitweilig untergraben. Dies wird 
ihnen in Togo zusammen mit den Franzosen dank 
ihrer zehnfachen lÜiermacht auch gelingen; in unseren 
anderen afrikanischen Kolonien wird es ihnen zweifellos 
ungleich schwerer werden. 
liber den Feldzug selbst gebe ich nachstehend eine 
chronologische Schilderung der Ereignisse. 
Es war uns selbstverständlich von vornherein 
klar, daß wir einem absolut auosichtslosen RKampf 
gegen eine zehnfache oder noch arößere Ubermacht und 
Angriffen von drei Seiten, der See, der Goldküsfte und 
Dabomey, entgegengehen würden. Togo besitzt keine 
Schutztruppe: nur eine Handvoll Polizeisoldaten stand 
uns zur Verfügung, wogegen unser Gegner über teil- 
weise sehr gute Regimenter regulärer Soldaten, über 
Kauonen und Rriegoschisse verfügen konnte. Trotzdem 
  
war die Begeisterung so groß, daß auf den Ruf des 
Geheimrats v. Doering, der als Major den Ober- 
befehl übernommen hatte, sich ulle Europäer — selbst 
die vom Militärdienst vollkommen befreiten — zur 
Front meldeten. Keiner wollte zurückstehen, um später 
unseren deutschen Helden zu Hause mit reinem Ge- 
wissen vor Augen treten zu können. So war es ein 
feierlicher Moment, als am Sonntag, den 2. Augnust, 
6 Uhr morgens, alle Europäer vor dem Gouverneurs- 
hause Aufstellung nahmen, wo Herr v. Doering 
einige packende Worte über die Lage unseres Vater- 
landes sprach und wir begeistert die „Wacht am Rhein“ 
sangen und unserem obersten Kriegsherru huldigten. 
Am 5. August, vormittags 11 Uhr, berief der 
Kommandeur die Europäer vor das neue Verwaltungs- 
gebäude, um die ersten militärischen Befehle aus zu- 
geben und die Europäer-Kompagnie einzuteilen. In 
der Nacht hatten die ersten berittenen Posten ihren 
Dienst an der englischen Grenze auszuführen. 
Mehr noch als von dieser Seite war der Einfall 
der französischen Senegalschützen von Dahomey auf 
Anecho zu erwarten. Mit großer Umsicht hatte der 
dortige Befehlshaber, Herr Rittmeister v. Roebern, 
an den ervonierten Stellen Schützengräben auswerfen 
lassen, und er hatte es verstanden, unsere dortigen 
wenigen Deutschen so zu begeistern, daß sie es kaum 
spürten, vier Tage und Nächte nicht aus den RKleidern 
gekommen und ohne nenneuswerten Schlaf gewesen 
zu sein. Hieß es doch, den Bestien von Senegal- 
schützen und den Franzosen unser Leben im gegebenen 
Falle so teuer wie möglich zu verkaufen. 
Am 6. August, abends ½7 Uhr, überschritten zwei 
englische Parlamentäre, Hauptmann Barker und Mr. 
Newlands, unsere Grenze und wurden von unseren 
Vorposten zum Kommandeur geführt. Die Engländer 
verlangten die Ubergabe Togos und stellten ein Ulti- 
matum von 24 Stunden, d. h. bis zum 7. August, 
abends 708 Uhr. 
Noch am selben Abend berief der Kommandeur 
alle Europäer zum Verwaltungsgebäude und machte 
bekannt, daß wir die offenen Küstenplütze Lome und 
Anecho räumen und uns auf Kamina bzw. Atakpame 
zurückziehen würden, um die Funkenstation so lange wie 
möglich zu verteidigen. Den verheirateten Herren 
stellte er es frei, in Lome zu bleiben, da Frauen und 
Kinder nicht mitgenommen werden könnten. 
Hier sei erwähnt, daß die Station Kamina etwa 
200 m über dem Meeresspiegel liegt, vier Türme von 
120 m und acht Türme von 80 m Höhe hatte und in 
direkter Verbindung mit Nauen stand. Mit letzterer 
Station zusammen beberrschte die deutsche Funkentele- 
graphie auch über weite Strecken den Ozean. Einen 
herrlichen Anblick bot diese mächtige Station mit dem ge- 
waltigen Maschinenhaus und den schmucken massiven 
Wohnhäusern inmitten tropischer Vegetation und dem 
wundervollen Panorama am Horizont. Heute zeugt nur 
noch ein Trümmerhaufen von diesem grandiosen Werk 
deutschen Wissens und deutscher Ingenieurkunst. — 
Vor unserer Ubergabe an die vereinigten Engländer 
und Franzosen hatten wir die Türme und das Ma- 
schinenhaus dem Erdboden gleichgemacht. Weich wurde 
jedem ums Herz, der diese prächtige Anlage vor und 
nach der Ubergabe sah, Millionenwerte wurden in 
wenigen Minuten zerstört, aber noch viel größere 
Werte sind durch Ramina für unser Vaterland gerettet 
worden. 
Am 7. August, früh 1½6 Uhr, fuhren unsere Lands- 
leute mit ihrer kleinen Polizeitruppe aus Anecho ab, 
um sich mit unserer Haupttruppe in Lome zu ver- 
einigen und sich von dort nach Kamina zu begeben.
	        
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