Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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möglich waren; wahrscheinlich wurden aber auch 
dort Geschütze aufgestellt. 
Auf allen Anhöhen wurde gearbeitet, so daß 
anzunehmen ist, daß Schutzwälle und Forts ge- 
baut wurden. — 
Ebenfalls setzten die Engländer die kleinen 
Plätze in Verteidigungsstand, so anscheinend auch 
das Gelände der „Stlurmvogelbucht". 
Die Engländer haben in den unbe- 
wohnten Häusern der Stadt sehr schlimm 
gehaust. Auch in die bisherige Wohnung des 
Konsuls Müller, der jetzt als Gonverneur das 
Stadthaus bezogen hatte, waren die Soldaten 
eingedrungen und hatten sehr wild gehaust. Hier- 
nach wurden die Verhältnisse ein wenig besser. 
Eine empörende Handlung der Eng- 
länder war die, das Krankenhaus einfach 
zu annektieren. DieKranken und Schwestern 
wurden hinausgeworfen, ohne ihre Sachen mit- 
zubekommen! Die Engländer richteten ihr eigenes 
Lazarett dort ein. Die Deutschen bekamen dafür 
das Jugendheim, wo sie dann ihr Lazarett ein- 
richteten. Die Schwestern waren gezwungen, um 
Betten usw. bei der Zivilbevölkerung zu bitten; 
sie wollten sich die Pflege der dort eventnell ein- 
treffenden verwundeten Denutschen nicht nohmen 
lassen. Von den beiden Arzten der Stadt wurde 
IDr. Richter als „Kriegsgefangener“ abgeführt; 
über Dr. Schaumberg ist mir nichts bekaunt, 
wahrscheinlich ist er zurückgeblieben. 
Die Cugländer hatten an kleinen Transport- 
fahrzengen mitgebracht: zwei Schlepper, die Wal- 
fänger „Bluck“ und „Southern Cross“" und einige 
Leichter. Außerdem ein Schiff, das mehr wie 
ein Bergedampfer aussah. Jch glaube, daß dieses 
Schiff als Minenschiff benutzt wurde. Ich habe 
verschiedentlich beobachtet, daß es ziemlich weit 
hinausfuhr, außerdem auch in dem äußeren Hasen 
kreuzte. Mit diesem Schiffe wurden wir zum 
„Clon Macmillan“ hinausgebracht, jedoch nicht 
im Hafen an Bord genommen. 
Die Engländer haben auch die Schiffe der 
Woermann-Linie vom Strande gezogen und 
in Gebrauch genommen. 
Die Engländer hatten auch Kolmannskuppe 
und Charlottental besetzt und die Männer — 
etwa 10 — nach Lüderitbucht geführt. Trotzdem 
geschah das Merlwürdige, daß die Deutschen am 
23. oder 24. September vormittags noch den 
Rest der Franuen — etwa 30 — aus Kolmanns- 
kuppe abholten, um sie ins Land zu führen. 
Abends konnten wir am Horizont die großen 
Feuersbrünste sehen; wie ich hörte, sollen an 
beiden Stellen die Magazine von den Deutschen 
in Brand gesteckt, und die Wasserbehälter un- 
brauchbar gemacht worden sein. 
  
Kanonade von der Seeseite sowie Gewehr- 
sceuer von Landseite konnte man öfters hören; 
os sollte sich dabei aber nur um Schießübungen 
der Engländer handeln — was mir beim Anblick 
der gewiß ungeübten Engländer glaubwürdig 
erscheint. 
Über Gefechte war offiziell nichts bekannt; 
doch sollen einige kleinere Vorpostengefechte zur 
Zeit meiner Abreise schon stattgefunden haben, u. a. 
bei Grasplatz, wobei die Engländer drei Tote 
gehabt haben sollen. Die Deutschen sollen sich 
damals vorläufig auf Grasplatz zurückgezogen 
haben. « 
Zur Zeit meiner Abreise hatten die Feindselig— 
keiten eben erst begonnen. Einige hundert Buren 
sollten damals auf deutscher Seite kämpfen. 
In Kapstadt erfuhr ich, daß die Deutschen am 
24. September Walfischbucht erobert haben, so 
daß das Walfängerschiff den Hafen verlassen mußte. 
Ein englischer Hilfskreuzer, der dort in der 
Nähe lag, soll darauf nach Swakopmund ge— 
fahren sein. Die Leute von der Station wollen 
darauf eine Kanonade gehört haben, etwa 20 bis 
30 Schüsse, woraus man schloß, daß Swakopmund 
nunmehr bombardiert würde. 
Ferner erfnhr ich, daß der Woermann-Dampfer 
„Rufiyi“ gekapert sei und von den Engländern 
nunmehr als Transportschiff benutzt würde. 
In Kapstadt lagen vier deutsche Dampsschiffe, 
deren Besatzungen als Kriegsgefangene abgeführt 
waren; auch von norwegischen Schiffen waren 
deutsche Seeleute weggeholt und in Gefangenschaft 
geführt worden. 
Von den mit mir nach Kapstadt abgeführten 
Leuten sollten, wie man dort sagte, die Männer 
nach Pretoria und die Frauen nach Moritzburg 
in Natal geführt werden. 
Unerhört war das Vorgehen der Zoll- 
behörde, den Kriegsgefangenen für die 
mitgebrachten Sachen Zoll abzuverlangen. 
Das Zeng der Kriegsgesangenen wollte die Zoll- 
behörde nicht passieren lassen, obgleich die Ge- 
fangenen bereits weitergesandt waren! Wie es 
mit dem Gepäck weiter ergangen ist, hatte ich 
keine Gelegenheit zu erfahren. 
In Kapstadt waren noch immer einige 
Truppentransporte wahrzunehmen. Man 
sagte mir, daß diesos der Rest der großen Trans- 
porte sei. Wohin diese gegangen waren, wußten 
die Kapstädter nicht; man glaubte nach Deutsch- 
Südwestafrika oder auch zum Teil nach England. 
lber Port Nolloth wollen die Engländer etwa 
20 000 Mann gegen Deutsch-Südwestafrika und 
die gleiche Zahl von der Landseite gegen den 
Orangefluß gesandt haben! 
Die Stimmung in Kapstadt war natürlich sehr 
gehässig gegen alles was dentsch war, wofür noch
	        
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