Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Unterlagen zur Verteidigung des Kongostaates in 
nur bei ganz seltenen Gelegenheiten") und ganz 
den Kammern liefern. 
Prüft man an der Hand der im belgischen 
Kolonialministerium aufbewahrten Strafakten die 
latsächlichen Verhältnisse näher, und geht man 
den einzelnen Fällen nach, so ergibt sich doch 
namentlich hinsichtlich der wirklich erfolgten Be- 
strafung von schweren Ausschreitungen gegen die 
Eingeborenen öfters ein wesentlich anderes Bild, 
als dasjenige es ist, das solche amtlichen Verlaut- 
barungen zu erwecken sich bemühten. 
Zwischen Belgien und dem Kongo entwickelte 
sich im Laufe der Jahre ein rasch zunehmender 
Personenverkehr. Immer mehr Beamte wurden 
angestellt, die zahlreichen Erwerbsgesellschaften 
bedingten ein immer größer werdendes Personal, 
jeder Postdampfer brachte weitere Angestellte und 
führte andere in die Heimat zurück. Die Ver- 
mutung läge doch nahe, daß ein solcher reger 
Personenverkehr es dem Kongostaat im Interesse 
einer geordneten Justizpflege hätte erwünscht er- 
scheinen lassen müssen, gerade mit Belgien so bald 
die großen läßt man laufen“ verfahren. 
als möglich einen Auslieferungsvertrag abzu- 
Duldung und Billigung der Vorgesetzten die Ein- 
schließen, der es ihm ermöglichte, diejenigen, die 
sich am Kongo irgendeines Verbrechens 
Vergehens hatten zuschulden kommen lassen, im 
Mutterland zu verfolgen und vor seine Gerichte 
zu ziehen, nachdem es ihnen auf die eine oder 
andere Weise vorläufig gelungen war, sich der 
kongolesischen Instiz zu entziehen. 
oder 
Mit Portugal und dessen Kolonien hatte der 
Kongostaat bereits am 27. April 1888, 
Deutschland am 25. Juli 1890, 
mit 
mit Liberia 
am 21. November 1894, mit Spanien am 30. Juli 
1895, 
einen solchen wechselseitigen Auslieferungsvertrag 
mit Frankreich am 18. November 1899 
zur Anwendung kamen, 
zustande gebracht. Aber mit dem ihm am nächsten 
stehenden Belgien wurde ein solcher Vertrag höchst 
auffälligerweise erst am 20. Dezember 1898 ab- 
geschlossen. Den 
legislativen Maßnahme gab, 
schließlichen Anstoß zu dieser 
wie besonders her- 
vorgehoben zu werden verdient, auch nicht etwa 
ein am Kongo vorgekommenes Verbrechen, sondern, 
wie die Akten ergeben, ein in Gent durch einen 
begangener Doppelmord. Der Mann war im 
Dezember 1900 in contumaciam zum Tode ver- 
mieilt worden. Von der niederländischen Re- 
gierung wurde er auch gesucht und sie nahm an, 
daß er vielleicht nach dem Kongo geflüchtet sein 
könne. Erst als vom Haag ein diesbezüglicher 
Msslieferungsantrag in Brüssel gestellt wurde, 
entschloß man sich dort, einen förmlichen Aus- 
lieferungsvertrag zrichen dem Kongostaat und 
Belgien abzuschließen 
„Wie aber wurde nun dieser Vertrag gehand- 
abt? 
Er wurde, wie aus den Akten hervorgeht, 
besonders kaum in den Fällen zur Anwendung 
gebracht, wenn es sich um Verbrechen der hier 
in Rede stehenden Art handelte. 
Zur Blütezeit des leopoldinischen Systems der 
Kantschukausbentung des Kongo erscheint es fast 
als Regel, daß die Agenten des Staates oder der 
Gesellschaften, mit denen die Gerichte wegen Ver- 
gewaltigung der Eingeborenen sich zu beschäftigen 
hatten, nur zu leicht Gelegenheit fanden, unter 
Gesundheitsvorwänden den Kongo zu verlassen, 
namentlich, wenn ihnen von irgendeiner Seite 
eine rechtzeitige Warnung zugekommen war, ehe 
zu einer Verhaftung geschritten werden konnte, 
und daß sie dann in Belgien trotz des bestehenden 
Auslieferungsvertrages unbehelligt blieben. Na- 
mentlich galt das in Fällen, bei denen Offiziere 
oder höhere Beamte in solche Vorkommnisse ver- 
wickelt waren. Dann wurde nur zu häufig nach 
dem Sprichwort „die kleinen Diebe hängt man, 
Die 
untergeordneten Beamten, die unter offenbarer 
geborenen zur möglichst ausgiebigen Kautschuk- 
lieferung unter Anwendung der vorschriftswidrigsten 
Mittel „angeregt“ hatten, wurden gegebenenfalls 
zur Verantwortung gezogen, die Vorgesetzten aber, 
unter deren stillen Duldung und Mitwissenschaft 
die Grausamkeiten begangen worden waren, ließ 
man unbehelligt, namentlich, wenn sie sich in 
Belgien befanden und sich hüteten, nach dem 
Kongo zurückzukehren. 
Die Akten ergeben, daß auch die übrigen 
Auslieferungsverträge fast nur in solchen Fällen 
in denen es sich um 
Polizei= und Untersuchungsgefangene handelte, 
denen es gelungen war, aus dem Gefängnis in 
Boma alf portugiesisches Gebiet zu flüchten. Vier 
solche Fälle waren in den Akten bis 1908 zu finden. 
*) Soweit die begüglichen Akten erkennen lassen, 
ist der Auslieferungsvertrag zwischen dem Kongostaat 
und Belgien bis zur zeit der Annexion des ersteren 
. · « nur Kweimal zur praktischen Anwendung gekommen. 
schon vielfach vorbestrasten Holländer Dejong 
worden war. 
Das eine Mal im Fall eines Exbankiers Van den 
Dal aus Brüssel, der zahlreiche Kunden betrogen hatte 
und deshalb dort zu acht Jahren Gefängnis verurteilt 
Er war nach dem Kongo entflohen, wo 
er bei einer Gesellschaft Stellung gefunden hatte. 
Der zweite Fall betraf einen Exagenten der Magnzins 
Cnéraux, Rhein, Franzose von Geburt, der in Ma- 
tadi seiner Gesellschaft 9600 Fr. in Waren und Geld 
nunterschlagen hatte und deshalb zu sieben Monaten 
Gefängnis verurteilt worden war. Es gelang ihm. 
nach Frankreich zu entflichen, wo er als Franzose nicht 
ausgeliefert werden konnte. Schließlich tauchte er in 
Brüssel auf, wurde dort verhaftet und auf telegraphi- 
schen Antrag von Boma aus am 16. Juli 1900 von 
Antwerpen nach dort verschifft, um seine Strafe zu 
verbüßen. — 
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