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Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten.
(Abdruck der Nachrichten vollstänolg oder tellwelse nur mit Quellenangabe gestattet.)
Deutsch-Ostafrika.
Zur militärischen Lage in Deutsch-Ostafrika.
(Mit einer Kartenskizze.)
In den ersten zwanzig Movaten des Krieges
vermochte die ostafrikanische Schutztruppe nicht
nur allen feindlichen Angriffen erfolgreich zu
widerstehen, sondern auch selbst durch kühne Vor-
stöße auf feindliches Gebiet dem Gegner empfind-
liche Verluste und Schaden zuzufügen. Die sieg-
reichen Gefechte bei Tanga vom 2. bis 5. und
am Longidoberg am 3. und 4. November 1914,
bei Jassini am 18. und 19. Januar und bei
Mbuynni östlich Taveta am 14. Juli 1915
sowie die verschiedenen gegen die englische Uganda-
bahn unternommenen erfolgreichen Streifzüge
legen davon Zeugnis ab. Aber auch auf den
anderen Fronten, im Nordwesten und Westen am
Kiwusee und am Russissifluß sowie auf dem
Tanganjikasee gegenüber den Kongobelgiern und
im Südwesten an der Grenze gegen Nordost-
rhodesien konnten sich die verhältnismäßig schwachen
deutschen Kräfte siegreich behaupten und Erfolge
erringen.
Schon von Anfang an war das gegenseitige
Stärkeverhältnis, was Zahl und Kriegsmittel an-
belangt, höchst ungleich und fiel entschieden zu-
gunsten der Gegner aus. Bei allen kriegerischen
Ereignissen standen starken feindlichen Kräften
unverhältnismäßig schwache deutsche Kräfte gegen-
über. Dazu kam, daß dem Gegner Menschen
und Material stets in beliebiger Menge zur Er-
gänzung seiner Abgänge zur Verfügung standen,
während dies den deutschen Streitkräften infolge
ihrer Abgeschlossenheit fast ganz versagt blieb.
Nur zweimal gelang es kühn geführten Hilfs-
schiffen, die englische Blockade der Ostküste zu
durchbrechen und den schwerbedrängten Verteidi-
gern Kriegsmaterial, wenn auch allerdings nur
in verhältnismäßig geringem Umfange, zuzuführen.
Dieses Mißverhältnis steigerte sich noch in höherem
Maße, als im März 1916 England mit Hilfe
der Südafrikanischen Union und mit Unterstützung
der Belgier und Portugiesen zum umfassenden
Angriff gegen Deutsch-Ostafrika schritt.
Diesem in den Monaten März bis Mai 1916
aus vier verschiedenen Richtungen her einsetzenden
Angriff der auf über 100 000 Mann zu schätzen-
den verbündeten britischen, belgischen und portu-
giesischen Truppenmassen konnten die unverhältnis-
mäßig schwächeren deutschen Streitkräfte auf die
Dauer nicht standhalten. Die üÜberlegenheit der
Gegner an Zahl und Kriegsmitteln zwang sie
trotz des an vielen Stellen mit Erfolg geleisteten
tapferen und hartnäckigen Widerstandes im Laufe
des Jahres 1916 zum allmählichen Aufgeben des
größten Teils der Kolonie und zum Zurückgehen
in das zwischen dem Nyassasee und der Küste
nördlich des Rowuma gelegene Gebiet.
Nachdem es dem Gegner im Laufe des Sep-
tember 1916 gelungen war, unter Mitwirkung
seiner Seestreitkräfte die zwischen der Ruffi= und
Rowumamündung gelegenen Küstenplätze in seine
Gewalt zu bringen und etwas später auch von
Westen her das Gebiet von Songea östlich des
Nyassasees in Besitz zu nehmen, hielten um die
Jahreswende 1916/17 die deutschen Streitkräfte
noch das Gebiet zwischen der vom Feinde be-
setzten Ostküste, dem Ruhndjie-Kilombero-=
Rufi jifluß im Norden, dem Rowuma im Süden
und, soweit feststellbar, einer vom oberen Ru-
hudje aus der Gegend von Ifinga nach der
Gegend am Rowuma oberhalb Sassawara vel-
laufenden Linie im Westen.