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Am 16. Febiuar 1885 sah sich König Leopold
bei Gelegenheit des Abschlusses des Abkommens
der Association mit Portugal, das dem Kongostaat
den so heiß erstrebten Besitz von Boma und Banana
am rechten Kongoufer sicherte, veranlaßt, folgende
warme Danksagung an den Fürsten Bismarck zu
richten:
Altesse,
La première en Europe Votre Altesse à
traite avec I’Association Internationale du
Congo. Cest Elle dqui a décidé I'Angleterre
à le faire écgalement. Depuis lors l’'exemple
donné par le Gouvernement Allemand a été
suivi par toutes les Puissances. Le Portugal
vient enfin de s'y conformer à son tour. Gest
le fruit des conseils de Votre Altesse. Je La
prie de recevoir ici Pexpression de ma recon-
naissance la plus sincère.
Tant d'affaires sollicitent I’attention de
Votre Altesse due je tiens à ne pas étre indiscret
en Lui éerivant longuement. Je promets à
Votre Altesse de ne rien négliger pour duc
T’ocuvre de I’Association se montre toujours
digne de Sa puissante sympathie et je suis
heureux d’'avoir Poccasion de Lui reéitérer
Jassurance de ma haute considération et de
ma bien sincêre amitié.
(s.) Lé0polld.
Wie sehr sollte noch zu Lebzeiten des Fürsten
Bismarck die Entwicklung, die der Kongostaat in
seiner Domanialpolitik nahm, und sein Verhalten
in der Kiwu-Grenzfrage diese damals wohl aufrichtig
gemeinten Dankesbezeugungen Lügen strafen!
Sie verdienen gerade jetzt wieder denjenigen
Belgiern vor die Augen gerückt zu werden, die
sich unter Hinwegsetzung über die lange Reihe von
politischen Erpressungen, die man von Paris aus
in den Jahren 1884 bis 1892 gegen den Kongo-
staat ausgeübt hat (vgl. hierüber die beweglichen
Klagen des ungenannten kongolesischen Beamten in
dem Artikel I in „Aus den Archiven des belgischen
Kolonialministeriums“, Bd. 1), jetzt nicht genug tun
können, Frankreich als das Land hinzustellen,
dem allein die Erfolge des Kongostaates auf der
Berliner Konferenz zu danken seien. Dr. Dirr
hat in seinem Werk: „Belgien als französische Ost-
mark“, Berlin 1917, auf S. 161, 267, 364 eine
Rcihe solcher, auf die Irreführung der öffentlichen
Meinung in Belgien berechneter Außerungen des
heutigen
Wiart, des Franzosen Charriaut, in der
„Action Nationale“ usw. zusammengestellt und
dabei hervorgehoben, wie rasch die Belgier ver-
gessen hatten, daß erst Bismarcks Politik die Grün-
dung und Entwicklung des Kongostaates ermöglichte.
belgischen Justizministers Carton de
Es würde nicht uninteressant, wenn auch nicht
ohne Schwierigkeiten sein, die Frage näher zu
untersuchen, welchen Einfluß die Kongokonferenz
und die Gründung des Kongostaates auf die wirt-
schaftlichen Verhältnisse Deutschlands in den dreißig
Jahren bis 1914 ausgeübt haben. Es dürfte sich
voraussichtlich bei einer solchen Untersuchung er-
geben, daß die damals gehegten Hoffnungen und
Erwartungen der Wirklichkeit nicht entsprochen
haben.
Zu namhaften deutschen Handelsunternehmungen
am Kongo ist es mit Ausnahme von einigen
kleineren, erst spät im Laufe dieses Jahrhunderts
begonnenen, nicht gekommen. Die Zahl der in
kongolesischen Diensten tätig gewesenen Deutschen
ist gegenüber der Zahl der Italiener, Skandinavier,
ja selbst der Engländer eine sehr mäßige geblieben.
Die Beteiligung deutschen Kapitals (2 Millionen
Franken) an der so gewinnbringenden unteren
Kongobahn ist eine verhältnismäßig geringe gewesen
und anscheinend zu bald abgestoßen worden. Durch
die fast hermetische Abschließung der Ostgrenze des
Kongostaates ist der Handel von Deutsch--Ostafrika
schwer geschädigt und der ganze Elfenbeinhandel
Zentralafrikas nach dem Araberkrieg von 1894 an
durch den Kongostaat systematisch nach der Kongo-
mündung abgelenkt worden. Der Pulver- und
Spirituosenimport am Kongo wurde durch die an
sich gerechtfertigten Maßnahmen der Kongoverwal-
tung bald ziemlich lahmgelegt. Die der Filiale der
Deutschen Bank in Brüssel 1912 verliehene Kon-
zession zur Vornahmc von Schürfarbeiten in Katanga
in einem Bereich von 500 000 ha ist zwei Jahre
unbenutzt gelassen und drohte zu verfallen (ogl.
Dr. Waltz: „Das Konzessionswesen im Belgischen
Kongo“, S. 517). Am meisten hat wohl noch die
deutsche Reederei, besonders die Woermann-Linie,
aus dem Kongo Nutzen gezogen. Aber auch diese
Interessen wurden durch den in Belgien sich mehr
und mehr geltend machenden Imperialismus, durch
dic dort seit der 1899 erfolgten Gründung der
„Ligue maritime belge“ immer mehr hervor-
tretenden Bestrebungen auf eine großzügige Förde-
rung der eigenen Handelsschiffahrt — neben der
Schaffung einer Kriegsflotte — stark bedroht.
Die belgische Industrie war seit langem dabei,
den Warenbedarf des Kongo unter Verdrängung
fremdländischer Erzeugnisse tunlich von sich aus
decken zu helfen. Die Zeiten, in denen der bel-
gische Ministerpräsident Beernaert vor den
Kammern noch sagen konnte: „Der Staat, dessen
Herrscher unser König ist, soll eine internationale
Kolonie sein,“ waren längst dahin. Mit der An-
nexion war nach der vorherrschend gewordenen bel-
gischen Ansicht der Kongo eine rein national-
belgische Kolonie geworden, die der unbe-