158 S 17. Das Staatsbürgerrecht im Einzelstaat.
jenigen Bundesstaate erwirbt, in welchem er seinen dienstlichen
Wohnsitz hat. Es ist also das Reichsbürgerrecht nicht Voraus-
setzung, sondern Wirkung der Anstellung im Reichsdienst; eine
Naturalisation des Ausländers braucht seiner Anstellung nicht vor-
auszugehen, sondern sie wird durch seine Berufung zu dem
Reichsamt ersetzt. Auch sachlich ist es daher unrichtig, die »Fähigkeit«
zur Bekleidung von Reichsämtern zum Inhalt des Reichsbürgerrechts
zu machen.
S 17. Das Staatsbürgerrecht im Einzelstaat.
Die vorstehenden Erörterungen ebnen den Weg, um nun auch den
Inhalt des Staatsbürgerrechts im Einzelstaat und das Verhältnis des-
selben zum Reichsbürgerrecht näher zu bestimmen. Niemandem kann
es entgehen, wie sehr das Staatsbürgerrecht durch die Zusammen-
fassung der deutschen Staaten zu einem Gesamtstaat berührt, in seinem
Inhalt beschränkt und an seiner Wichtigkeit verringert worden ist.
Aber es ist nicht beseitigt worden; es ist im Gegenteil die unerläßliche
Grundlage und Voraussetzung des Reichsbürgerrechts geworden. Die
einzelnen Staaten wären keine Staaten mehr, wenn sie keine Staats-
bürger hätten. Das Reich wäre kein Bundesstaat, sondern ein Ein-
heitsstaat, wenn das Staatsbürgerrecht in den Einzelstaaten in dem
Reichsbürgerrecht untergegangen wäre. Der Satz, daß jeder Angehörige
des Reiches in jedem Einzelstaate als Inländer zu behandeln ist, dessen
rechtliche Bedeutung wir bald näher feststellen werden!), ist nicht
identisch mit dem Satz, daß jeder Angehörige des Reiches in jedem
dazu gehörenden Staate Staatsbürger sei.
Im allgemeinen ist für die Grenze zwischen Staats- und Reichs-
bürgerrecht schon oben die Kompetenzgrenze zwischen Staats- und
Reichsgewalt als maßgebend bezeichnet worden. Im einzelnen folgt
daraus:
1. Soweit die Einzelstaaten im Besitz staatlicher Hoheitsrechte ge-
blieben sind, ist der Staatsbürger ihnen unterworfen, zum Gehorsam
verpflichtet, Objekt der Einzelstaatsgewalt. Er steht unter ihrer
Gerichisbarkeit, Polizei, Militärgewalt, Finanzhoheit und ist den in der
Staatsgewalt enthaltenen Zwangsmitteln unterworfen. Aus der
souveränen Gewalt des Reiches über die einzelnen Staaten folgt aber,
daß die Einzelstaaten ihre Hoheitsrechte nicht im Widerspruch mit
den verfassungsmäßig erlassenen Anordnungen des Reiches ausüben
dürfen und daß jede Ausübung von Hoheitsrechten, die mit den An-
ordnungen des Reiches kollidiert, rechtswidrig ist.
2. Der Staatsbürger hat seinem Heimatsstaal gegenüber Anspruch
auf Schutz im Auslande und zwar auch in den Gebieten der übrigen
Bundesstaaten, soweit der Einzelstaat rechtlich und faktisch noch in
1) Vgl. unten & 20.