8 8. Fortsetzung. Kritik entgregenstehender Ansichten. 87
rechtlichen Problems wird man dieselbe schwerlich anerkennen dürfen.
7. Endlich ist auch die ausführliche Behandlung dieses Gegen-
standes von Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat (Leipzig
1892), zu erwähnen, nicht weil sie die Aufklärung dieses Problems an
‚irgend einem Punkte fördert, sondern weil sie sich selbst den Ruhm
beilegt, die Erörterung aus dem luftigen Gebiete der Gedanken in den
Raum der Wirklichkeit gebracht und an Stelle aprioristischer Konstruk-
don die Sammlung, Beobachtung und Vergleichung der Tatsachen ge-
setzt zu haben (Vorwort S. X). In der Tat ist der weitaus größte Teil
des Werkes mit Erörterungen über Bundesverhältnisse aller Zeiten
und Völker angefüllt, auf deren kritische Würdigung hier natürlich
nicht eingegangen werden kann; es kommen ausschließlich die »Er-
gebnisse in Betracht, welche Westerkamp auf Grund seiner Unter-
suchungen gewonnen zu haben glaubt. Nach Abweisung anderer Unter-
schiede als nicht wesentlich erklärt er S. 458, daß der charakte-
ristische Unterschied zwischen Staatenbund und Bundesstaat »auf
dem Gebiete der Aenderung und der Garantie der Bundesverfassung
liegex und er erbringt eine große Zahl von Belägen, daß zur Verände-
rung von Bundesverträgen in Staatenbünden Einstimmigkeit der Teil-
nehmer erforderlich sei, zu Veränderungen von Bundesstaatsverfassungen
dagegen nicht. Nun hätte es gewiß nicht so weitschichtiger Erörte-
rungen bedurft, um den Gemeinplatz zu erweisen, daß das Einstimmig-
keitsprinzip im allgemeinen der Rechtsform der Sozietät, das Majoritäts-
prinzip der korporativen Gestaltung entspricht. Aber es ist ebenso
zweifellos und keiner erneuten Beweisführung bedürftig, daß auch das
sozietätsmäßige Verhältnis mit Majoritätsbeschlüssen vereinbar ist und
andererseits das Erfordernis der Einstimmigkeit zu Beschlüssen über
Statutenänderungen bei Korporationen keineswegs unzulässig ist. Ein
spezifisches Unterscheidungsmerkmal ist darin nicht zu sehen; in der
zivilrechtlichen Dogmatik sind das längst abgetane Dinge und es wäre
nicht nötig, daß in der Doktrin des Staatsrechts solche Irrtümer im-
mer wieder vorgebracht werden und widerlegt werden müssen. Aber
abgesehen hiervon erscheint es doch von vornherein verfehlt, daß für
die Frage, ob Staatenbund oder Bundesstaat, nicht der Inhalt und die
Beschaffenheit der Verfassung, sondern die Form, in welcher sie ab-
geändert werden kann, maßgebend sein soll. Oder wird irgend jemand
der Meinung beipflichten, daß wenn Abänderungen der deutschen
Bundesakte durch eine gewisse Majorität hätten beschlossen werden
können, der Deutsche Bund ein Bundesstaat gewesen wäre? Wester-
kamp selbst scheint auch von dem von ihm ermittelten charakteristi-
niert, so fehlt es an jedem unterscheidenden Merkmal zwischen Gliedstaaten und
Reich, ganz abgesehen von der völligen Unhaltbarkeit seines Begriffs der Gebiets-
hoheit. Die Ausführungen von Preuß sind bereits treffend widerlegt worden von
Rehm, Krit. Vierteljahrsschr. Bd. 32, S. 429 ff. und von Hänel im Archiv f. öffentl.
R. Bd. 5, S. 457 ff.