Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

4 8 54. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes. 
2. Das Gesetz ist die Anordnung einer Rechtsregel; es ist dem- 
nach nicht genügend, daß lediglich ein Rechtssatz formuliert wird, 
sondern er muß für verpflichtend erklärt werden. Der im Gesetz zu- 
tage tretende Wille ist stets ein Befehl, daß der in dem Gesetz ent- 
haltene Rechtssatz befolgt werden soll. Lex est quod populus jubet 
atque constituit (Gajus I], $ 3). 
In jedem Gesetz ist deshalb ein doppelter Bestandteil zu unter- 
scheiden, die in dem Gesetze formulierte Rechtsregel und die Aus- 
stattung derselben mit rechtsverbindlicher Kraft, oder wie man auch 
sagen kann, der Gesetzesinhalt und der Gesetzesbefehl. 
Diese beiden Elemente des Gesetzesbegriffes können mit einander 
derartig verbunden sein, daß ihre Unterscheidung ohne staatsrechtliche 
Bedeutung ist. Sowohl die souveräne Volksversammlung wie der ab- 
solute Monarch beschließt die Rechtsregel und befiehlt zugleich ihre 
Geltung. Es ist aber ebenso gut möglich, daß für die Feststellung des 
Gesetzesinhaltes andere Vorschriften bestehen, und daß dabei andere 
Kräfte mitwirken, wie für die Erteilung des Gesetzesbefehles. Alsdann 
wird die Unterscheidung beider Momente von großer theoretischer und 
praktischer Wichtigkeit. Man verschließt sich jede Möglichkeit einer 
wissenschaftlichen Erkenntnis der Lehre von der Gesetzgebung, wenn 
man das Wesen des Gesetzes in der Schaffung eines Rechts- 
satzes erblickt. 
Nicht als ob die Schaffung oder Formulierung des Gesetzesinhaltes 
nicht auch eine staatliche Angelegenheit, ja eine besonders wichtige 
Aufgabe des Staates wäre; auch die Findung der zu sanktionierenden 
Rechtsregel ist ein Teil der Gesetzgebungsarbeit; allein das spezifische 
Wirken der Staatsgewalt, das Herrschen, kommt nicht in der 
Herstellung des Gesetzesinhaltes, sondern nur in der Sanktion des Ge- 
setzes zur Geltung, in der Ausstattung eines Rechtssatzes mit verbind- 
licher Kraft, mit äußerer Autorität. 
Es ist nicht notwendig, daß der Gesetzgeber den Gesetzesinhalt 
erfindet; derselbe kann ihm durch einen völkerrechtlichen Vertrag, 
durch eine mit der Ausarbeitung beauftragte oder freiwillig in Tätig- 
keit getretene Kommission, durch eine Resolution irgend einer Ver- 
sammlung usw. gegeben sein: er kann den »Rechtsgedanken« aus dem 
Gewohnheitsrecht, aus dem Recht eines anderen Staates, aus der 
Wissenschaft usw. entnehmen. Dagegen die Erteilung des Gesetzes- 
befehles ist notwendig eine Tat des Staates; denn sie ist eine Aeußerung 
der Staatsgewalt. Die in den Pandekten enthaltenen Regeln waren 
Rechtssätze vom Augenblicke ihrer Niederschrift an, zu römischen 
Gesetzen wurden sie erst durch die Sanktion des corpus juris. Im 
im Recht I, S. 327 ff., den konkreten Fall, welcher eine einzelne Erscheinungsform 
einer abstrakten, ihn mit umfassenden Einheit ist, von dem individuellen Fall oder 
Tatbestand, welcher als Falleinheit eine besondere rechtliche Normierung empfängt. 
Vgl. auch die Erörterung von G. Cahena.a. O0. p. 113g.
	        
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