8 57. Die Wirkungen der Reichsgesetze. 17
außerhalb des Bundesgebietes zur Geltung und Wirksamkeit kommen,
und zwar nicht nur in den Jurisdiktionsbezirken der Reichskonsulate
und den Schulzgebieten, sondern allgemein im Auslande. Territorial
begrenzt ist nur die Handhabung des Rechtsschutzes; sie kann
nur in dem Bundesgebiet verwirklicht werden, dem die Schutzgebiete,
die Konsular-Jurisdiktionsbezirke und in einigen Beziehungen die deut-
schen Seeschiffe hinzutreten. Soweit die Gesetze dagegen die Reichs-
angehörigen zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichten oder
sonst Rechtsnormen für ihr Verhalten aufstellen, ist ihr Geltungsbereich
örtlich:überhaupt nicht begrenzt. Beispiele liefern das Konsulats-
gesetz, das Reichsbeamtengesetz hinsichtlich der Reichsbeamten, welche
im Auslande ihren Wohnsitz haben, die Mehrzahl der auf die See-
schiffahrt bezüglichen Gesetze, das Gesetz über die Beurkundung des
Personenstandes $ 61—64, 68, Abs. 2, 8 85; die Vorschriften über Be-
strafüung von Verbrechen, welche im Auslande verübt werden (Reichs-
strafgesetzbuch $ 4 fg.), Militärstrafgesetzbuch $ 7, 161; Seemannsord-
nung vom 27. Dezember 1872, $ 100 usw.
Die Worte sollen vielmehr nur andeuten, daß für die Gesetzgebung
des Reiches das Bundesgebiet eine Einheit ist, und daß die in dem
vorhergehenden Art. 1 aufgeführten Staaten, aus deren Gebieten das
Bundesgebiet besteht, für die räumliche Geltung der Reichsgesetze keine
gesonderten Rechtsgebiete bilden wie zur Zeit des deutschen Bundes.
Nur soweit Reservatrechte einzelner Staaten die Kompetenz des Reiches
zur Gesetzgebung beschränken, ist eine Ausnahme begründet.
Diese Einheit des Bundesgebietes als Geltungsbereich der Reichs-
gesetze schließt aber nicht den Satz ein, daß das Reich seine Gesetze
immer für das ganze Bundesgebiet erlassen müsse. Gesetze und
ebenso Verordnungen des Reiches können auch für Teile des Bundes-
gebietes gegeben werden und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das
Geltungsgebiet des Reichsgesetzes mit dem Gebiete eines oder mehrerer
Bundesstaaten zusammenfällt oder nicht ').. Nur in betreff des bürger-
lichen Rechts, des Strafrechts und des gerichtlichen Verfahrens ist
nach Art. 4, Ziff. 13 der Reichsverfassung (Gesetz vom 20. Dezember
1875) die Kompetenz des Reiches beschränkt auf »die gemeinsame
Gesetzgebung«. Darnach ist die Fortbildung und Umgestaltung eines
einzelnen Landrechts oder Partikularrechts durch die Reichsgesetz-
gebung verfassungsmäßig ausgeschlossen ?). Soweit indes partikuläre
1) Hiersemenzel]I,S.36; Riedel S.81. Beispiele: Gesetz vom 4. Mai 1868
für die hohenzollernschen Lande (Bundesgesetzbl. 1868, S. 150); Gesetz vom 4. Juli 1868
(Bundesgesetzbl. S.-375) für beide Mecklenburg, Lauenburg, Lübeck und preußische
Gebietsteile; Gesetz vom 8. Juli 1868 (Bundesgesetzbl. S. 384) für dieselben Gebiete
und Nordhessen; Gesetz vom 1. Juli 1869 (Bundesgesetzbl. S. 376) für Teile des ham-
burgischen Gebietes usw.
2) Vgl. darüber Heinze S. 142fg. und derselbe in den Erörterungen zum
Entwurf des Strafgesetzbuchs (1870) S. 18fg. Die von ihm gezogenen Konsequen-
zen gehen aber zu weit. Vgl. Rüdorff, Kommentar zum Strafgesetzbuch (2. Aufl.) S. 55.