130 Der Sommerfeldzug gegen Rußland 1915
sammengeschoben, daß es möglich geworden war, außer den für den
Westen bestimmten Abgaben noch andere Divisionen heranzuziehen. Sie
wurden nach Kowno gefahren und von hier auf dem linken Flügel der
10. oder auf dem rechten der 8. Armee eingesetzt.
Inzwischen war die 10. Armee von Wilna her sehr stark angegriffen
worden. Der Feind hatte Kräfte aus Polen nach Norden gezogen. In
dem Wunsche, zu flankieren, hatten sich die 10. Armee wie ihr Gegner nach
Norden in Richtung Wilkomir verstärkt. Der Kampf wurde auf dem
nördlichen Wilijaufer mit besonderer Heftigkeit geführt.
Es kamen wieder ungemein spannungsvolle Tage. Gern hätte ich den
Operationsbeginn beschleunigt, aber die Bahn Wirballen—Kowno konnte
nun einmal nicht mehr leisten, als bei ihrem noch unfertigen Zustand
möglich war. Alles kostete eine unendliche Zeit, die Wege waren zudem
schlecht und die Truppen nicht mehr frisch.
Am 9. September begann endlich der Vormarsch. Die Rjemen-Armee
kam gegen Dünaburg—Jakobstadt gut vorwärts. Ihr rechter Flügel setzte sich
etwa bei Uzjany auf die Straße Kowno—Dünaburg und warf den Feind
über Nowo Alexandrowsk sehr bald zurück. In beiden Brückenköpfen hielt
der Gegner stand. Es kam hier zu langen, erbitterten Kämpfen.
Der linke Flügel der 10. Armee, der südlich Wilkomir stand, gewann
an den ersten beiden Tagen gegen die Wilija Wilna aufwärts gut Gelände.
Weiterhin gelang es jedoch nur nach und nach, den Russen über diesen Fluß
zurückzudrücken.
Zwischen den inneren Flügeln beider Armeen, von Dünaburg bis an
die Wilija, hatten die Kavallerie-Divisionen freiere Bahn. Sie mußten
sich zunächst unter steten Kämpfen durch das Seengelände zwischen Wilko-
mir und Swentzjany durcharbeiten. Am 13. war dieser Ort genommen.
Von hier aus wandten sich die Divisionen auf Smorgon, Molodetschno und
gegen die Bahn Molodetschno—LPolotzk, halbwegs beider Orte. Kavallerie-
Divisionen der 8. Armee konnten jetzt nachgeschoben werden. Schon am
14. war die Bahn Wilna—Molodetschno—Polotzk bei Smorgon, Wileika
und östlich Glubokoje erreicht und der rechte russische Flügel an der Wilija
nordöstlich Wilna stark gefährdet. Auch die Bahn Orscha—Minsk wurde in
Gegend Borissow unterbrochen. Die Kavallerie-Divisionen fanden hier, wie
schon so oft im Osten, ein neues Feld ihrer Betätigung. Der frische Reiter-
geist der deutschen Kavallerie hat sich allerorts glänzend bewährt.
Die 10. Armee bemühte sich immer wieder, Truppen aus ihrer Front
nach dem linken Flügel zu schieben. Sie holte dabei Wilija aufwärts auf
Smorgon und hart südlich des Wischnjew-Sees auf Wileika aus. Die Be-
wegungen waren schwierig auszuführen und kosteten Zeit. Sie verursachten
ganz außerordentliche Anstrengungen für die Truppen, denn die Wege und