60 Kriegsnachrichtendienst in den neutralen Ländern
nahmen zum Schutz des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neu-
tralität. Ihm folgte eine Verordnung über Strafbestimmungen und eine
solche über die Veröffentlichung militärischer Nachrichten. Anfang des
Jahres 1917 mußte sich die Schweiz selbst durch eine Verordnung be-
treffend den Schutz militärischer Geheimnisse schützen. Denn trotz aller
gesetzlichen Maßnahmen war es dem Nachrichtendienst der Kriegführen-
den gelungen, in großem Umfange sich festzusetzen. Da es nicht aus-
geschlossen war, daß auch die Schweiz in den Krieg gezwungen wurde,
entstand für sie eine unmittelbare Gefahr. Allen voran hatte es der
französische Nachrichtendienst verstanden, die gesetzlichen Hindernisse
durch Bildung kleinerer unauffälliger, aber darum zahlreicher Spionage-
organisationen zu überwinden. Die Leitung lag bei dem Militärattachs
in Bern, dem Obersten Pageot, der, vorübergehend durch einzelne be-
kanntgewordene Vorfälle gefährdet, durch den Obersten Moriet ver-
treten wurde. In engster Verbindung mit dem Militärattachs arbeitete
der Generalkonsul Pascal d'Ai#r in Genf, der, gleichfalls kompromittiert,
seinen Posten verlassen mußte. Die dem Generalkonsul unterstellten
Vizekonsuln Peron und Monjour, sowie die französischen Konsuln Pé-
linnier in Bern, Baron Fougeres in Lausanne, Robin in Jürich und
Farges in Basel standen unter Mißachtung der ihnen gewährten Exterri-
torialität in engster Verbindung mit der französischen Spionage. Nicht
nur daß sie für den Militärattaché selbständig Nachrichten über Deutsch-
land einzogen, sie vermittelten auch zwischen den in Deutschland befind-
lichen Agenten und den auf französischem Boden gelegenen Spionage-
bureauc, die ausgebildeten französischen Nachrichtenoffizieren unterstanden
und an der Schweizer Grenze in Annemasse, Evian und Pontarlier ihren
Sitz hatten. Einzelnen Konsulaten waren auch Hauptagenten des fran-
zösischen Nachrichtendienstes unter dem Deckmantel von Konsulats-
sekretären angegliedert.
Unter dieser Leitung betätigten sich, meist voneinander unabhängig
und oft ohne Kenntnis voneinander, zahlreiche Spionagegruppen. Einige
besonders erfolgreiche seien angeführt. Der französische Dragoneroffizier,
mehrfache Millionär und Bankier in Lyon, Graf Mougeot, leitete in
Bern ein Nachrichtenbureau, das in der Schweiz und in Deutschland
in den Jahren 1916 bis 1918 eine reiche Tätigkeit entfaltete. Für
seine Zwecke kaufte er die Uhrenfabrik in Bevillard in der Schweiz,
deren Reisende lediglich seinen Spionagezwecken dienten. Seine haupt-