Auf den Kriegsschauplaͤtzen 85
auf dem russischen Kriegsschauplatz nur eine nebensächliche Rolle. Sie
hat höchstens für engbegrenzte taktische Zwecke Erfolg bringen können.
Keine der großen Umgruppierungen des russischen Heeres ist rechtzeitig
durch sie gemeldet worden.
Dagegen erschloß sich eine zuverlässige Nachrichtenquelle in den auf-
gefangenen russischen Funksprüchen. Zwar waren selbstverständlich sämt-
liche Befehle chiffriert, aber das angewendete System war einfach und
wurde nur selten gewechselt. Es war deshalb leicht zu entziffern.
Eine ergiebige Quelle für den Nachrichtendienst war auch das bei
dem Vordringen des deutschen Heeres erbeutete Aktenmaterial russischer
Behörden. Es hatte militärisch meist wenig Wert, weil es zurückliegende
Dinge behandelte. Dafür gab es aber ein immer vollständigeres Bild
von der Stimmung im russischen Heer und Volk.
Wie ich in dem Abschnitt über den Kriegsausbruch bereits erwähnte,
lauteten schon damals die Nachrichten aus Rußland dahin, daß von
einer eigentlichen Feindschaft gegen Deutschland in Volk und Heer nicht
gesprochen werden konnte. Ich habe auch schon angeführt, daß dieser
Eindruck durch die Gefangenenaussagen auch zu Kriegsbeginn aufrecht-
erhalten wurde, trotz der schweren Niederlagen, die das deutsche Heer
dem russischen von Kriegsbeginn an beibrachte, die dem russischen Sol-
daten schwere Entbehrungen und Opfer auferlegten, den Kriegsverlauf
für ihn anders gestalteten, als er selbst ihn sich vorgestellt und man ihm
von oben her in Aussicht gestellt hatte. Das zurückhaltende Benehmen
der Polen, Litauer und Balten mag darin begründet gewesen sein, daß
ihr Heimatgebiet Kriegsschauplatz wurde. Der Gleichmut des russischen
Soldaten hatte aber eine Kehrseite. Ihm fehlte die Begeisterung für den
Krieg, die Gefangenen wußten nicht, welchen Zweck der Krieg gegen
Deutschland haben sollte. Die Revanche, sowie die Befreiung des Vater-
landes von den eingedrungenen Deutschen, womit die französische Re-
gierung so erfolgreich die Stimmung ihrer Truppen belebte, oder die
wirtschaftliche und politische Konkurrenz Deutschlands, die jedes engli-
schen Soldaten Uberzeugung war, spielte für den echt russischen Sol-
daten keine Rolle. Er tat seine Pflicht, ohne zu fragen. Von ciner Pro-
paganda war unter der Regierung des Jaren im ersten Kriegsjahr weder
an der russischen Front, noch gegen die deutschen Truppen etwas zu
spüren.
Vom zweiten Kriegsjahr an machte sich aber ein Umschwung bemerk-