Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Unsere Fürsten hatten in verschiedenen Theilen Sachsens sehr 
oft mit großem Aufwande eine nicht geringe Anzahl Jagdschlösser zu 
unterhalten. Nach und nach ließ man manche derselben eingehen oder 
sie zu anderen Zwecken verwenden. Das vom Kurfürst Christian I. 
erworbene Jagdschloß in Waldheim erhielt ebenfalls eine andere Be- 
stimmung, indem man hier nach Ostern 1716 das erste allgemeine 
Zuchthaus eröffnete.) 
Gegen Ende desselben Jahres führte man dem neuen Zuchthause 
einen Züchtling höchst sonderbarer Art zu, und zwar ein überspanntes 
Mädchen, Anna Sophie Apitzsch aus Lunzenau. Ihr Vater war 
Zeugmacher und lebte mit den Seinigen in ziemlich drückenden Ver- 
hältnissen. Diese Lage gefiel seiner Tochter durchaus nicht. Sie 
wollte hinaus in die Welt und auf gut Glück ihr Heil versuchen. 
In Mädchenkleidung getraute sie sich nicht, ihre abenteuerlichen Pläne 
ausführen zu können. Jene wurde deshalb mit Mannskleidern ver- 
tauscht, und nun nahm das planlose, unstäte Leben seinen Anfang. 
Die überspannte Apitzsch mochte sich in ihrer Verkleidung selbst ge- 
fallen, denn sie gab einen ganz stattlichen Burschen ab, und in der 
That vermochte diese Gaunerin ihre verstellte Rolle so geschickt und 
gewandt zu spielen, daß sie sich auf ihren Streifereien nicht verrieth 
und im Auslande sogar einen Monat hindurch als Soldat diente. 
Hierauf wandte sie sich wieder nach Sachsen und wählte zunächst 
Elterlein zu ihrem Aufenthaltsorte, wo sie sich bei einem Bäcker 
niederließ. Durch ihr feines, gewandtes Wesen erregte sie bei den 
schlichten Bewohnern jenes Ortes sehr bald die allgemeinste Aufmerk- 
samkeit. Wenn auch nicht mit klaren Worten, so bestärkte sie doch 
durch allerlei Kniffe die Leute in ihrem Irrthum und ließ es still- 
schweigend zu, daß man sie für eine hohe, vornehme Person hielt, 
welche unerkannt das Land durchreisen wolle. Allmählich wurde sie 
in ihren Täuschungen frecher. Unter dem Anschein eines Geheimnisses 
sprach sie gegen einzelne von fürstlichen Eltern, setzte aber schlau 
hinzu, daß sie jetzt noch ein Eid binde, ihre Abstammung zu ver- 
öffentlichen. „Das ist niemand anders, als der Kurprinz selbst", 
hieß es bald, „der das Land heimlich durchreist, um sich von dem 
Zustande desselben zu überzeugen.“ 
Welche Wendung war auf einmal in dem Schicksale der armen 
verschmitzten Weberstochter eingetreten! Mit tiefer Ehrfurcht nahte 
man sich dem vermeintlichen Kurprinzen und gab ihm auf alle Weise 
seine Hochachtung kund. Zwar erklärte sich die schlaue Apitzsch nicht 
selbst für den Kurprinzen, nannte sich aber ein Kind aus dem Hause 
Sachsens und nahm die Ehrenbezeugungen ruhig hin. Einigen 
*) Das damit zugleich verbundene Armen= und Waisenhaus wurde 
später wieder aufgehoben.
	        
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