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delte, — wie ich schon in meiner Reichsstagsrede vom
6. Februar 1888 ausführte — völlig neutral und ohne eigenes
Interesse dagestanden; und diese Interesselosigkeit allein habe
Deutschland die Handhabe geboten und es befähigt, in
gleichem Maße das vollste Vertrauen der beiden in der
bulgarischen Frage am meisten und im Gegensatze zu einander
nteressierten Regierungen, Rußlands und Oesterreich-Ungarns,
zu erhalten. — Dieses Vertrauen werde selbstverständlich mit
einem Schlage für lange Jahre, wenn nicht für immer, zerstört,
wenn der Battenberger, d. h. der vom Zaren am meisten
vehaßte Gegner, Schwiegersohn des deutschen Kaisers werde.
Denn Deutschland würde hinfort in den bulgarischen Händeln
selbst Partei nehmen müssen, wenn eine Prinzessin des
deutschen Kaiserhauses Fürstin von Bulgarien werden wollte.
Es wäre das gerade so, als wenn man einen Marschallstab
über die Mauer einer feindlichen Festung würfe: er muß
unter allen Umständen und um jeden Preis wieder heraus-
geholt werden. — Aus diesen und seinen eigenen obgenannten
Bedenken hat der Kaiser dann schließlich, trotz der beharrlichen
Gegenmeinung der Kaiserin, die Beseitigung dieses Vor-
habens durchgesetzt. In tiefer Bewegung umarmte er mich,
als am 10. April die Entscheidung gefallen war. — Für
England und die englische Politik wäre die Verwirklichung
dieser angeblichen Herzensneigung des hohen Paares — das
beiderseits bekanntlich bald darauf anderen Herzensneigungen
folgte — ja unzweifelhaft ein hoher Triumph gewesen. Wir
warfen unsern Marschallstab über die Mauern, und das hoch-
herzige Albion verfügte fortan tatsächlich über die gesunden
Knochen des pommerschen Füsiliers, indem es nach Gefallen
und Belieben die deutsche Wehrmacht zum Sturm gegen Ruß-
land antrieb, damit der Stab wieder herausgeholt werde —
und dabei wohl immer mit dem wohlwollend-neutralen
Hintergedanken: schade für jeden Hieb, der auf beiden Seiten
vorbeigeht.“
v. Poschinger, „Also sprach Bismarck“ Band III. 15