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(Die Rechtsmittel in Krhninal Sachen bettef-
fend.)
Wir Maximilian Joseph,
von Gottes Gnaden König von Baiern.
Da die Anordnung einer zweiten Instanz
in Kriminal-Sachen bei Unserm Appellati=
ons Gerichte gesezlichen Bestimmungen über
die Rechtsmittel gegen Kriminal-Erkenntnis-
se, sowohl für diejenigen Gebietstheile Un-
sers Reiches, wo bisher keine devalutiven
Rechtsmittel gestattet waren, als auch für
diesenigen norhwendig geworden sind, we
durch Veränderung der dreifachen Instanzen=
Ordnung in eine zweifache, die bieber dar-
über besiandenen Geseze ihre Anwendbarkeit
größtentheils verloren haben; so finden Wir
Uns bewogen, bis zur Herstellung einer all-
gemeinen vollständigen Gesezgebung über den
Kriminal-Prozeß folgendes provisorisch zu
verordnen. 6
I. Allgemeine Bestimmungen.
F. 1. Die devolutiven und suspensiven
Rechtsmittel gegen ein Straferkenutniß sind
von doppelter Art:
Das Rechtsmittel der Revision,
und das Rechtsmittel der Mppellation.
Jene erfodert die Einwendung des Rechts-
mittels von Seite der Angeschuldigten nicht;
sondern die verhandelten Akren werden samt
dem Urtbeilsspruche durch das in erster In-
stanz erkennende Appellations = Gericht von
Amtswegen eingesendet, selbst wenn der An-
geschuldigte ausdrücklich und freiwillig auf
die zweite Instanz Verzicht leisten sollte.
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Die Appellation hingegen findet nur statt
auf Verlangen des Verurtheilten, und nach-
dem dieselbe in gesezlich bestimmter Zeit ein-
sewendet worden ist.
§. 2 Jedem von Unseren Gerichtshöfen in
Serafsachen gesprochenen Erkennrnisse sollen
die Enescheidungs-Gründe beigefüge werden.
Diese sollen nicht in das Urtbeil selbst ein-
geflochten, sondern abgesondert dargestelle
seyn.
Sie sollen in bündiger Vollsiändigkeie die
Geschichte des der Beurtheilung vorliegenden
Falles, und ausserdem alle die Entscheidung
bestimmenden sormellen und materiellen Grün-
de genau entwickeln.
II. Wann die Revision oder Appella-
tion statt sindet.
& 3. Die Revision finder nue in fol-
genden Fällen statt:
1) wenn die erste Instanz auf Todes-
strafe oder
2) auf zwanzigjäbrigen Werlustder
Freiheit oder darüber erkannt hat;
3) wenn der Angeschuldigte ohne Bekennt-
niß und ohne vollkommenen nicht künstlichen
Beweis auf das blosse Zusammentreffen der
Umstände (aus Indizien) zu einer mehr
als sechs monatlichen Freiheits-Strafe
verurtheilt worden ist.
I. 4 In andern, als den im vorbergehen-
dem G. angegebenen Fällen kommt nur die
Appellation in Anwendung.
G. . Doch ist auch die Appellation in fol-
genden Fällen nicht zulsßig:
1) Wenn auf bloßen Verweis, oder