Full text: Großherzoglich Sachsen Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt aufs Jahr 1821. (5)

der Hölfsbedürftigkeit obliegt, am meisten 
dabey interessirt, daß der Aufzunehmende die 
zu einem guten und ehrlichen Fortkommen 
nöthigen Eigenschaften habe, und wird, nächst 
der ihr zunachst vorgesetzten Obrigkeit auch 
am besten beurtheilen können, ob jene Eigen- 
schaften vorhanden sind oder nicht? Darum 
möge es lediglich dem Ermessen der Gemeinde 
und der Zustimmung der Obrigkeit überlassen 
bleiben, ob ein neues Mitglied aufzunehmen 
sey; nur dann, wenn die Gemeinde und die 
Obrigkeit verschiedener Meinung sind, trete 
höhere Entscheidung ein, und nur, wenn es 
sich von der Aufnahme eines Ausländers han- 
delt, werde die Zustimmung der competenten 
Landesbehörde erfordert. Hiernach bedarf es 
dann der gesetzlichen Bestimmung eines Ein- 
bringungs-Quantums, durch welches ohnehin 
die betreffende Gemeinde nie hinlänglich ge- 
sichert werden kann, nicht. 
Nicht unpassend dürfte es hierbey seyn, 
den Gemeinden auch ein Einschreiten durch die 
ihnen zunächst vorgesetzte Gerichtsbehörde, bey 
denjenigen Gemeindemitgliedern zuzugestehen, 
welche durch schlechte Wirthschaft iyre Ver- 
armung herbeyführen, und vielleicht nur auf die 
dereinst eintretende Pflicht der Gemeinde zu 
ihrer Versorgung vertrauen; so daß solchen 
Inoividuen, auf Antrag der Gemeinde, ein 
Aufseher oder Curator gesetzt und der will- 
kührlichen Verdußerung ihres Vermögens vor- 
gebeugt werden könne. 
2) Die Pflicht zur Versorgung armer 
Verwandten dürfte gesetzlich nur den Ver- 
wandten in auf. und absteigender Linie aufzuer- 
legen seyn, nicht den Geschwistern, weil bey die- 
sen das Verháltniß von Notherben nicht eintritt. 
3) Eine subsidiäre Pflicht zur Versorgung 
kann nur demjenigen auferlegt werden, welcher 
die Aufnahme bewirkte, folglich 
a) bey Pächtern, Privat-Dienern und 
Gesinde nur demjenigen, welcher solche an- 
und aufgenommen hat; 
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b) bep Hintersiedlern, Frohnchäußlern 2c. 
bey deren Aufnahme nur der Gerichtsherr conz 
(urrirt, nur diesem; 
c) in solchen Orten, in denen mehrere Ge- 
tichtsbezirke bestehen, nur dem Gerichtsbezir- 
ke, in welchem die Aufnahme erfolgt ist. 
Den übrigen Einwohnern des Orts wird 
zwar bey Aufnahme eines neuen Nachbars 
lin jenem Bezirke ein Widerspruchsrecht ein- 
zurcumen seyn; allein eine Pflicht zu dessen 
etwaiger Versorgung kann ihnen nicht auf- 
erlegt werden, weil dann aus diesem Grun- 
de alle und jede Aufnahme eines neuen Nach- 
bars in einem Orte von getheilter Gerichts- 
barkeit behindert werden würde; deßhalb darf 
aber auch das ihnen nachzulassende Wider- 
spruchsrecht nie wegen der zu besorgenden Ver- 
armung des Aufzunehmenden, sondern nur 
aus andern triftigen Gründen z. B. wegen 
Gefährlichkeit des neuen Subjectes, zur An- 
wendung kommen. 
Der getrene Landtag kann hier noch die 
Ansicht der Großherzoglichen Lande-Direc= 
tion: daß alle Einwohner eines Orts, der 
in verschiedene Gerichtsbezirke gehört, hin- 
sichtlich der Versorgung verarmter Ortsan- 
gehörigen, für Ein Ganzes angesehen wer- 
den müßten; nicht theilen, glaubt es viel- 
mehr bey der, besonders im Neustädtischen 
Kreise, bestehenden Einrichtung der Armenkas- 
sen, welche sich nicht nach den Orten, sondern 
nach den Gerichtebezirken gebildet haben, be- 
wenden lassen zu mussen. 
Dagegen theilt er jene Ansicht vollkom- 
men in Hinsicht der eigentlichen Polizey-Ge- 
genstände als der Instandehaltung der Wege 
innerhalb der Flur, der Besorgung der Tag- 
und Nachtwachen, der Unterhaltung und Be- 
dienung der Feuerlöschungs-Gerathschaften, 
der Uebertragung der Einquartirungs= und 
sonstigen Kriegslast; und wünscht, daß an 
Orten, wo# es deshalh yoch an Einheit feh-
	        
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