Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1871. (5)

— 157 — 
§. 155. 
Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet, wenn 
1) ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch 
gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Er- 
klärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt; 
2) derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen Eid 
geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung 
auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgibt, 
oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein- für allemal vereidet 
ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid abgibt; 
3) ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen 
Diensteid abgibt. 
§. 156. 
Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eidesstatt zuständigen 
Behörde eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt oder unter Berufung 
auf eine solche Versicherung wissentlich falsch aussagt, wird mit Gefängniß von 
Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. 
§. 157. 
Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineides (§§. 154. 155.) 
oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht, so ist die an sich 
verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn 
1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfolgung wegen eines 
Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder 
2) der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksicht- 
lich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein 
Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. 
Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe 
nach Maßgabe des §. 21. in Gefängnißstrafe zu verwandeln. 
§. 158. 
Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn derjenige, welcher sich eines 
Meineides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht hat, 
bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet 
und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage ent- 
standen ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, 
widerruft. 
  
§. 159. 
Wer es unternimmt, einen Anderen zur Begehung eines Meineides zu 
verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unternimmt, 
einen Anderen zur wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt 
zu verleiten, mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. §. 160.
	        
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