Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1897. (31)

   
liche Zeit und Gelegenheit zu gewähren. Er hat den Lehrling zur Arbeitsamkeit und 
zu guten Sitten anzuhalten. 
In Betreff der Verpflichtung des Lehrherrn, dem Lehrlinge die zum Besuch 
einer Fortbildungsschule erforderliche Zeit zu gewähren, bewendet es bei den Vor- 
schriften des §. 120 der Gewerbeordnung. 
§. 77. 
Die Dauer der Lehrzeit bestimmt sich nach dem Lehrvertrag, in Ermangelung 
vertragsmäßiger Festsetzung nach den örtlichen Verordnungen oder dem Ortsgebrauche. 
Das Lehrverhältniß kann, sofern nicht eine längere Probezeit vereinbart ist, 
während des ersten Monats nach dem Beginne der Lehrzeit ohne Einhaltung einer 
Kündigungsfrist gekündigt werden. Eine Vereinbarung, nach der die Probezeit mehr 
als drei Monate betragen soll, ist nichtig. 
Nach dem Ablaufe der Probezeit finden auf die Kündigung des Lehrverhält- 
nisses die Vorschriften der §§. 70 bis 72 Anwendung. Als ein wichtiger Grund zur 
Kündigung durch den Lehrling ist es insbesondere auch anzusehen, wenn der Lehrherr 
seine Verpflichtungen gegen den Lehrling in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder 
Ausbildung gefährdenden Weise vernachlässigt. 
Im Falle des Todes des Lehrherrn kann das Lehrverhältniß innerhalb eines 
Monats ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. 
§. 78. 
Wird von dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlinges oder, sofern dieser volljährig 
ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung abgegeben, daß der Lehr- 
ling zu einem anderen Gewerbe oder zu einem anderen Beruf übergehen werde, so 
endigt, wenn nicht der Lehrling früher entlassen wird, das Lehrverhältniß nach dem 
Ablauf eines Monats. 
Tritt der Lehrling der abgegebenen Erklärung zuwider vor dem Ablaufe von 
neun Monaten nach der Beendigung des Lehrverhältnisses in ein anderes Geschäft 
als Handlungslehrling oder als Handlungsgehülfe ein, so ist er dem Lehrherrn zum 
Ersatze des diesem durch die Beendigung des Lehrverhältnisses entstandenen Schadens 
verpflichtet. Mit ihm haftet als Gesammtschuldner der neue Lehrherr oder Prinzipal, 
sofern er von dem Sachverhalte Kenntniß hatte. 
§. 79. 
Ansprüche wegen unbefugten Austritts aus der Lehre kann der Lehrherr gegen 
den Lehrling nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag schriftlich geschlossen ist. 
§. 80. 
Bei der Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling ein 
schriftliches Zeugniß über die Dauer der Lehrzeit und die während dieser erworbenen 
Kenntnisse und Fähigkeiten sowie über sein Betragen auszustellen. 
Auf Antrag des Lehrlinges hat die Ortspolizeibehörde das Zeugniß kosten- und 
stempelfrei zu beglaubigen.
	        
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