— 1257 —
§. 312.
Nach dem Schlusse der Beweisaufnahme erhalten der Vertreter der Anklage
und sodann der Angeklagte oder dessen Vertheidiger zu ihren Ausführungen und
Anträgen das Wort.
Dem Vertreter der Anklage steht das Recht der Erwiderung zu; dem An-
geklagten gebührt das letzte Wort.
Der Angeklagte ist, auch wenn ein Vertheidiger für ihn gesprochen hat,
zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Vertheidigung anzuführen habe.
§. 313.
Einem der Gerichtssprache nicht mächtigen Angeklagten müssen aus den
Schlußvorträgen mindestens die Anträge des Vertreters der Anklage und des
Vertheidigers durch den Dolmetscher bekannt gemacht werden.
Dasselbe gilt von einem tauben Angeklagten, sofern nicht eine mündliche
oder schriftliche Verständigung erfolgt.
§. 314.
Die Hauptverhandlung schließt mit der Erlassung des Urtheils. Das
Urtheil kann nur auf Freisprechung, Verurtheilung oder Einstellung des Ver-
fahrens lauten.
Die Einstellung des Verfahrens ist insbesondere auszusprechen, wenn bei
einer nur auf Antrag zu verfolgenden strafbaren Handlung sich ergiebt, daß der
erforderliche Antrag nicht vorliegt, oder wenn der Antrag rechtzeitig zurück-
genommen ist.
§. 315.
Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner
freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung.
§. 316.
Hängt die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürger-
lichen Rechtsverhältnisses ab, so entscheidet das Strafgericht auch über dieses nach
den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften.
Das Gericht ist jedoch befugt, das Urtheil auszusetzen und einem der Be-
theiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen, oder das Urtheil
des Civilgerichts abzuwarten.
§. 317.
Gegenstand der Urtheilsfindung ist die in der Anklageverfügung bezeichnete
That, wie sich dieselbe nach dem Ergebnisse der Verhandlung darstellt.
Das Gericht ist an diejenige Beurtheilung der That, welche der Anklage-
verfügung zu Grunde liegt, nicht gebunden.