Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

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§. 318. 
Eine Verurtheilung des Angeklagten auf Grund eines anderen als des in 
der Anklageverfügung angeführten Strafgesetzes darf nicht erfolgen, ohne daß der 
Angeklagte zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts besonders 
hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Vertheidigung gegeben worden ist. 
In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn erst in der Verhandlung solche 
vom Strafgesetze besonders vorgesehene Umstände behauptet werden, welche die 
Strafbarkeit erhöhen. 
Das Gericht hat auf Antrag oder von Amtswegen die Hauptverhandlung 
auszusetzen, falls dies in Folge der veränderten Sachlage zur genügenden Vor— 
bereitung der Anklage oder der Vertheidigung angemessen erscheint. Seitens des 
Kriegsgerichts ist einem dahin gerichteten Antrage des Angeklagten stattzugeben, 
wenn derselbe neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren 
Strafgesetzes zulassen oder die Strafbarkeit erhöhen, bestreitet. 
§. 319. 
Wird der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung noch einer anderen 
That beschuldigt, als wegen welcher die Anklageverfügung gegen ihn erlassen ist, 
so kann auf Antrag des Vertreters der Anklage jene That mit seiner Zustimmung 
zum Gegenstande derselben Aburtheilung gemacht werden. 
Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die That sich als ein 
bürgerliches oder militärisches Verbrechen darstellt, oder die Aburtheilung derselben 
die Zuständigkeit des Gerichts überschreitet. 
§. 320. 
Die Leitung der Urtheilsberathung und das Sammeln der Stimmen er— 
folgt durch denjenigen, der die Verhandlungen geführt hat. 
Etwaige Vorfragen sind einzeln vor der Hauptfrage, die Festsetzung des 
Strafmaßes ist erst nach beschlossener Anwendung des Strafgesetzes, die Gesammt- 
strafe erst nach Festsetzung der Einzelstrafen und die Verhängung einer Neben— 
strafe erst nach der Bemessung der Hauptstrafe zur Abstimmung zu bringen. 
Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihen- 
folge der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung entscheidet das Gericht. 
§. 321. 
Kein Richter darf die Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er 
bei der Abstimmung über eine vorhergegangene Frage in der Minderheit ge- 
blieben ist. 
§. 322. 
Zu einer jeden Entscheidung des Gerichts ist Stimmenmehrheit erforderlich. 
Bilden sich bei einer Abstimmung mehr als zwei Meinungen, von denen 
keine die Mehrheit für sich hat, so werden die dem Angeklagten nachtheiligsten
	        
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