Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

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§. 374. 
Die Vernehmung neuer Zeugen, welche nach Erlassung eines Beweisbeschlusses 
bezüglich der in demselben bezeichneten streitigen Thatsachen benannt werden, ist auf 
Antrag zurückzuweisen, wenn durch die Vernehmung die Erledigung des Rechtsstreits 
verzögert werden würde und das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß die Partei 
in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die 
Zeugen nicht früher benannt hat. 
§. 375. 
Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts 
oder einem anderen Gericht übertragen werden: 
1. wenn zur Ausmittelung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an 
Ort und Stelle dienlich erscheint; 
2. wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht erheblichen Schwierig- 
keiten unterliegen würde; 
3. wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozeßgerichte zu erscheinen; 
4. wenn der Zeuge in großer Entfernung von dem Sitze des Prozeßgerichts 
sich aufhält. 
Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die 
Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind durch ein Mitglied des Prozeß- 
gerichts oder durch ein anderes Gericht in ihrer Wohnung zu vernehmen. Das 
Gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, 
des vormaligen Kurhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. 
§. 376. 
Oeffentliche Beamte, auch wenn sie nicht mehr im Dienste sind, dürfen über 
Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, als Zeugen 
nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde oder der ihnen zuletzt vor- 
gesetzt gewesenen Dienstbehörde vernommen werden. Für den Reichskanzler bedarf 
es der Genehmigung des Kaisers, für die Minister der Genehmigung des Landes- 
herrn, für die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte der Genehmigung 
des Senats. 
Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Ablegung des Zeug- 
nisses dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaates Nachtheil bereiten würde. 
Die Genehmigung ist durch das Prozeßgericht einzuholen und dem Zeugen 
bekannt zu machen. 
§. 377. 
Die Ladung der Zeugen ist von dem Gerichtsschreiber unter Bezugnahme auf 
den Beweisbeschluß auszufertigen und von Amtswegen zuzustellen. 
Die Ladung muß enthalten: 
1. die Bezeichnung der Parteien; 
2. den Gegenstand der Vernehmung; 
Reichs-Gesetzbl. 1898. 77
	        
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