Contents: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 28. Die Zölle. 857 
gesetz vorgelegt werden müsse, wonach klargestellt wird, was als Theil der Ver- 
fassung und was als Gesetze angesehen werde. 
Ein solches Vervollständigungsgesetz ist nicht ergangen, indeß behandelte 
Dr. Rudolph Delbrück die aufgeworfene Frage in der dankenswerthen, bereits 
mehrfach angezogenen Schrift: „Der Artikel 40 der Reichs-Verfassung 1.“ 
Zweifellos find die unmittelbaren Vorschriften des Zollvereinigungs- 
vertrages vom 8. Juli 1867 in allen Theilen nicht Verordnungs-, sondern Gesetzes- 
recht. Dies erhellt aus dem Umstande, daß der Vertrag als Gesetz im Norddeutschen 
Bunde wie in den süddeutschen Staaten, nämlich unter Zustimmung der gesetz- 
gebenden Körperschaften, beschlossen und vom Kaiser und den Landesherren als Gesetz 
in den Gesetzblättern verkündet worden ist. Eine Abänderung der unmittelbaren 
Vorschriften des Zollvereinigungsvertrages kann daher nur im Gesetzeswege und 
zwar gemäß Art. 35 der Reichsverfassung nur durch Reichsgesetz erfolgen. Ein 
solches den Vertrag abänderndes Gesetz ist am 27. Mai 1885 (R.-G.-Bl. 1885, 
S. 109) ergangen. Muß dies als gewiß gelten, so ist es doch fraglich, ob auch 
die in dem Zollvereinigungsvertrage angezogenen, als noch in Kraft bleibend be- 
zeichneten Zollvereinigungsverträge vom 22. und 30. März und 11. Mai 1838, 
vom 12. Mai und 10. Dezember 1885, vom 2. Januar 1836, vom 8. Mai, 
19. Oktober und 13. November 1841, vom 4. April 1853 und 16. Mai 1865 nur 
noch im Gesetzeswege abgeändert werden dürfen. 
Delbrück (Artikel 40, S. 5) ist der Anficht, daß für die Bestimmungen des 
staatsrechtlichen Charakters die älteren Vereinsverträge genügende äußere Merkmale 
nicht darbieten. Die bei allen vor dem Jahre 1865 abgeschlossenen Verträgen 
beliebte Eintheilung des Stoffes in offenen Vertrag, Separat-Artikel und Schluß- 
protokoll sei als solches Merkmal nur in sehr beschränktem Maße brauchbar. Diese 
Eintheilung, entstanden zu einer Zeit, wo das innere Staatsrecht der Vereins- 
staaten zu einer scharfen Sonderung zwischen Gesetz und Verwaltungsvorschrift 
keinen dringenden Anlaß gab — habe in der Hauptsache auf der Vorstellung 
beruht, welche in den dreißiger und vierziger Jahren über das Maß herrschte, mit 
welchem dem Publicum die Kenntniß von Staatsverträgen zuzumessen sei. Auch 
der Vertrag vom 4. April 1858, obwohl unter veränderten Verhältnissen ab- 
geschlossen 2, habe sich von dem in neuen früheren Verträgen betretenen Wege noch 
nicht trennen können. Erst der Vertrag vom 16. Mai 1865 habe eine Eintheilung 
des Stoffes nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten versucht, und zwar seien die Ver- 
abredungen legislativen Charakters in den Vertrag aufgenommen, die Verabredungen 
von vorübergehendem oder bloß reglementärem oder administrativem Charakter in 
das Schlußprotokoll verwiesen. Der Vertrag vom 8. Juli 1867 habe die Gesetz- 
gebung über die Eingangs= und Ausgangsabgaben und die Durchfuhr, über die 
innere Besteuerung des Salzes, des Rübenzuckers und des Tabacks, über den Schutz 
des Zollsystems gegen den Schleichhandel und der inneren Verbrauchsabgaben, gegen 
Hinterziehungen, sowie die Gesetzgebung über die in den Zollausschlüssen zur Sicherung 
der gemeinschaftlichen Zollgrenze erforderlichen Maßregeln dem Bundesrath des Zoll- 
vereins und dem Zollparlament überwiesen und dem Bundesrath die Beschlußnahme 
über die zur Ausführung jener Gesetzgebung dienenden Verwaltungsvorschriften und 
Einrichtungen übertragen. Im Uebrigen habe der Vertrag an dem staatsrechtlichen 
Charakter des bestehenden Vertragsrechts nichts geändert. Hieraus folgert Delbrück, 
die Vermuthung spreche dafür, daß die Bestimmung in den offenen Verträgen vor 
1865 und in den beiden Verträgen von 1865 und 1867 staatsrechtlich Gesetz und 
daß die Bestimmungen in den beiden Schlußprotokollen von 1865 und 1867 
staatsrechtlich Verwaltungsvorschrift seien. 
NAiun ist zu beachten, daß Rechtsnormen sowohl in den offenen Verträgen wie 
in Schlußprotokollen, wie in den von den Landesregierungen , später vom Bundes- 
rathe, erlassenen Vorschriften enthalten find, welche letzteren deshalb den Namen 
— — 
1 Berlin 1881, Verlag v. Leonhard Simion. Auf Grund der Beschlüsse, welche bei den 
: Damit ist offenbar gemeint, daß er nach I Zollvereinsconferenzen gefaßt wurden. 
Erlaß der Preußischen Verfassung ergangen ist. 
  
 
	        
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