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Gricchenland.
von welcher meine Annahme der griechischen Krone abhing, d. i. ehe noch die
Vereinigung der Jonischen Inseln mit Griechenland vollbracht und die Ver—
fassung des neuen Staates votirt war. Binnen wenigen Tagen wird ein
ganzes Jahr seit meiner Ankunft in Griechenland verstrichen sein, und ich
glaube, daß Niemand die Geduld verkennt, mit der ich die anormale Lage
eines Königthums ertrug, dem eine Nationalversammlung gegenübersteht, die
sowohl als Constituante wie als gesetzgebende Kammer fungirt. Endlich ist
seit geraumer Zeit die Vercinigung der Jonischen Inseln mit Griechenland
vollzogen. Die Gegenwart der Repräsentanten jenes Staates seit mehr als
zwei Monaten hat der Nationalversammlung jede Erleichterung gewährt, um
ohne weiteren Aufschub die Verfassung zu votiren auf der Grundlage des
Entwurfes, der seit einem Jahre fertig vorliegt. Was aber bis jetzt in der
Nationalversammlung vorging, gibt mir die Gewißheit, daß ihre Arbeiten sich
noch lange verlängern können. Ein solcher Zustand, der jede Bemühung der
Regierung unwirksam macht und jede Thätigkeit der Verwaltung lähmt, beraubt
die Nation nicht nur kostbarer Vortheile, sendern wird ganz gewiß Nachtheile
verursachen, die sich später schwer werden gutmachen lassen. Die Klagen des
Volkes über diese traurigen Zustände sind mir bekannt, deßhalb gebieten mir
meine heilige Pflicht gegen das griechische Volk und gegen die durch die Con-
stitution zu wahrenden Interessen, das Ende eines solchen Zustandes zu ver-
langen. Ich befahl demnach meinen Ministern, der Nationalversammlung
einen Entwurf des noch übrigbleibenden Theiles der Censtitution vorzulegen
und derselben anzukündigen, daß ich bereit bin, sowohl den schon votirten
Theil zu unterzeichnen, als auch die nach dem beigegebenen Entwurf zu vo-
tirende Abtheilung, die sich von den bisher ausgedrückten Wünschen der Na-
tionalversammlung durchaus nicht entfernt. Zch ersuche die Nationalversamm-
lung, ihre Stimmen über diesen Entwurf binnen zehn Tagen abzugeben.
Binnen dieser zehn Tage werden meine Minister der Nationalversammlung
auch einen Gesetzentwurf für die Wahl der Deputirten vorlegen, und ich bitte
die Nationalversammlung, denselben bis Ende dieses Monats zu prüfen und
zu votiren. Wenn jedoch die Nationalversammlung ihre Arbeiten innerhalb
der eben bezeichneten Frist nicht vollendet, so behalte ich mir jede Freiheit be-
treffs meiner zukünftigen Entschlüsse vor, welche so beschaffen sein werden, wie
meine getäuschten Hoffnungen sie mir eingeben, und mache die Nationalver-
sammlung für alle Folgen verantwortlich."
19. Oct. Die königl. Botschaft wird der National-Versammlung vorgelegt.
21.
22.
28.
Dieselbe beschließt, erst nach Votirung der Verfassung darauf zu ant-
worten.
„ Berathung der Nat.-Versammlung über das Verlangen des Königs
bezüglich der Errichtung eines Staatsraths. Erklärung des Mini-
steriums. Das Verlangen wird mit 136 gegen 124 Stimmen im
Princip bewilligt.
„ Die Nat.-Versammlung beschließt auf den Antrag von zwei Mit-
gliedern der Opposition, den früheren Beschluß gegen die Mitglieder
des letzten Ministeriums unter dem König Otto zurückzunehmen.
„ Die Nat.-Versammlung beendigt ihre Verhandlungen über die Re-
vision der Verfassung.
„ Die Nat.-Versammlung beschließt, dem Könige die revidirte Ver-
fassung durch eine Deputation von 10 Mitgliedern überreichen zu
lassen. Der König antwortet: „Ich werde darüber nachdenken und
antworten.“ Die Nat.-Versammlung nimmt die Berathung des Wahl-
gesetzes in Angriff. "6