Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febrnar 18.—21.) 39
nationalliberalen Presse, ausgenommen worden sei. Die Forderungen der
Bergleute seien immer als unberechtigt bezeichnet worden; erst in letzter Zeit
hätten zwei hervorragende Männer, die Herren Reichstagsabgeordneter Müllen-
siefen und Bürgermeister Vattmann-Gelsenkirchen, unumwunden anerkannt,
daß sie berechtigt seien. — Darauf verliest Bauer-Weitmar die Forderungen,
die einstweilen folgendermaßen festgesetzt wurden:
1. Achtstündige Schicht inkl. Ein= und Ausfahrt.
2. Verbot von Ueberschichten; wenn Ueberschichten nötig, nur mit Er-
laubnis der Arbeiterausschüsse, und dann gegen doppelten Lohn.
3. Einrichtung von Einigungsämtern und Arbeiterausschüssen.
4. Wegfall der Füllkohlen und Regelung des Wagennullens.
5. Steigender Lohn mit steigendem Gewinn.
6. Wiedereinstellung der Bergleute, die infolge der Organisations-
bestrebungen entlassen sind.
7. Erhaltung der Knappschaftskasse als Wohlfahrtseinrichtung.
18. Februar. Die Kaiserin Friedrich und die Prinzessin
Margarete treten eine Reise nach Paris an, wo sie bis zum 27.
Februar verweilen (vgl. Frankreich).
20. Februar. Die preußische Regierung legt 250 Millionen
und die deutsche Reichsregierung 200 Millionen 3prozentige An-
leihe im Kurse von 84,40 auf. Die aufgelegten 200 Millionen
Reichsanleihe werden mehr als 46fach, die 250 Millionen preußische
Anleihe nahezu 30fach gezeichnet.
21. Februar. Der Kaiser hält bei dem Festmahl des bran-
denburgischen Provinzial-Landtages folgende Rede:
„In Meinen Dank für die freundlichen Worte des Herrn Vorsitzenden
möchte Ich zunächst das tiefe Bedauern und den innigen Schmerz einschließen,
der Mein und, Ich bin fest überzeugt, Ihrer Aller Herren durchzogen hat
bei dem Verlust eines Ihrer wertesten Mitglieder; Ich meine des Herrn
v. Rochow-Plessow. Ihm, einem alten märkischen Edelmann von treuem,
festem Schrot und Korn, einem Vorbild aller ritterlichen Tugenden, der
seinem Fürstenhause treu ergeben war bis zum letzten Atemzuge seines Lebens,
möchte Ich als König noch nachträglich Meinen Dank aussprechen für das
lange Leben treuen Arbeitens, welches er für Meine Vorfahren und für Mich
im Dienste der Provinz zugebracht hat.
Brandenburgische Männer! Ich freue Mich von ganzem Herzen, daß
es Mir vergönnt ist, wieder einen Abend unter Ihnen zuzubringen, denn
es ist Einem immer wohl, mit Männern sich zusammenzufinden, von denen
man wi. daß man mit ihnen übereinstimmt und daß man sich miteinander
eins fühlt.
Wir stehen gewissermaßen noch unter dem Schatten jenes Tages, den
wir vor kurzer Zeit geseiert haben, Ich meine des Jubiläums jenes großen
Brandenburgers, von dem Ich so oft und gern zu Ihnen gesprochen habe,
des Großen Kurfürsten, jenes Mannes, der mit seinem vollsten Herzen und
allen Fibern an seinem Heimatlande hing und mit unermüdlicher, rastloser
Thätigkeit dafür sorgte, daß aus tiefer Not und tiefem Elend die Mark
Brandenburg zu einem festen, einigen Ganzen emporstieg. Es ist der Vor-
fahre von Mir, für den Ich die meiste Schwärmerei habe, der von jeher
Meiner Jugend als Vorbild vorangeleuchtet hat.
Ich weiß sehr wohl, daß in dieser Zeit und im vergangenen Jahr