122 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
war Anfangs von dem Auftreten der constitutionellen Parteien sehr be-
friedigt, sein Gesandter v. d. Goltz erkannte die Berechtigung der Re-
volution unbefangen an, zeigte ein offenes Auge für die gehäuften Thor-
heiten des verblendeten Hofes. Das wüste Treiben der Emigranten wurde
in Wien und Berlin mit der gleichen Strenge verurtheilt. Erst seit dem
Frühjahr 1791, seit König Ludwig seinen mißlungenen Fluchtversuch durch
unerhörte persönliche Demüthigungen büßen mußte, begannen die beiden
Höfe ernstlich an eine Abwehr der revolutionären Gewaltthaten zu denken.
Die aufregende Nachricht fiel grade in den verhängnißvollen Zeitpunkt,
da Bischoffwerder soeben die ersten Fäden angeknüpft hatte zur dauernden
Verbindung der beiden Mächte. Friedrich Wilhelm's ritterlicher Sinn
flammte auf bei dem Gedanken die beleidigte Majestät in Frankreich mit
seinem königlichen Degen zu rächen. Einzelne gewandte Köpfe der Emi-
granten gewannen doch nach und nach geheimen Einfluß am Hofe; es
war kein Zufall, daß eben jetzt das neue unpreußische Wesen in der Ver-
waltung aufkam, die Abwendung von dem stolzen Freisinn des großen
Königs, die kleinen Nadelstiche gegen die Aufklärer; der mächtige Günst-
ling führte Buch über die Demagogen und Verschwörer in Preußen. Als
der unheilvolle Mann im Sommer 1791 zum zweiten male nach Oester-
reich hinüberging um die im Frühjahr eingeleitete Verständigung zu be-
festigen, fand er den Kaiser zu Mailand in erregter Stimmung; drohende
Worte fielen: es werde Zeit das Uebel der Revolution mit der Wurzel
auszurotten, den Unruhestiftern überall, auch in Deutschland entgegenzu-
treten. Gleich nachher forderte Leopold durch das Rundschreiben von
Padua die europäischen Mächte auf, sich seines mißhandelten Schwagers
anzunehmen, jede Beleidigung der Ehre des Königs durch kräftige Maß-
regeln zu rächen, keine Verfassung Frankreichs anzuerkennen, die nicht von
der Krone frei genehmigt sei. Dann unterzeichnete Bischoffwerder eigen-
mächtig, gegen seine Instructionen, den Wiener Vertrag vom 25. Juli,
wodurch beide Mächte sich gegenseitig ihren Besitzstand verbürgten und
einander Hilfe versprachen für den Fall innerer Unruhen.
Damit war die abschüssige Bahn, die man in Reichenbach betreten,
bis zum Ende durchlaufen. Leopold's Klugheit hatte den Günstling des
Königs völlig überlistet. Preußen gab die stolze Selbständigkeit der frideri-
cianischen Politik auf, verpflichtete sich, ohne jeden Entgelt dem kaiserlichen
Hofe in seiner Bedrängniß Dienste zu leisten; denn nur Oesterreich, nicht
Preußen war in seinem Besitzstande bedroht, in Belgien schwellte der
Brand des inneren Unfriedens noch fort und mochte leicht durch einen
Einfall der Franzosen zu hellen Flammen angefacht werden. Der eigen-
mächtige Unterhändler wurde in Berlin mit Vorwürfen überhäuft; mehrere
Minister verwahrten sich feierlich gegen diese verhängnißvolle Aenderung
des politischen Systems: die Kräfte des Staates sorgsam zu Rathe zu
halten sei die wirksamste Bekämpfung der Revolution, der Wiener Ver-