Friede von Campo Formio. 165
und die Führerstellung unter den romanischen Völkern sichern; nach un—
mittelbarer Beherrschung des Welttheils strebte sie nicht. Jener Unersätt—
liche aber, der jetzt in Italien seinen byzantinischen Hof hielt, die eroberten
Gebiete nach Gefallen zu Vasallenstaaten zusammenballte, jeden Wider—
spruch des Directoriums bald durch Drohungen bald durch reiche Beute—
sendungen beschwichtigte, war ein Mann ohne Vaterland. Als Jüngling
hatte er einst für die Befreiung seiner italienischen Heimath geschwärmt,
doch seine frühreife Weltklugheit überwand die jugendlichen Träume schnell;
unbedenklich trat er bei den Eroberern Corsicas in Dienst, weil er einsah,
daß die Auflösung aller alten Ordnung in dem revolutionären Frankreich
hier der höchsten Begabung die höchsten Erfolge verhieß. Nun fühlte er
sich als den geborenen Herrscher, in der Kraft des Wollens und Voll—
bringens allen anderen Sterblichen überlegen. Er schwelgte in dem Hoch—
gefühle der einzigen Größe dieser Zeit, die das Unmögliche zu ermöglichen
schien, und in dem stolzen Bewußtsein, daß ihm, ihm allein auferlegt sei,
den Rathschluß eines fürchterlichen Schicksals zu vollziehen. Er sah vor
sich das alte Europa, zertheilt durch streitige Interessen, gelähmt durch
ein schwerfälliges Heerwesen und durch veraltete Verfassungen — eine
erstarrte Staatenwelt, die das Recht ihres Daseins nur noch auf den
historischen Bestand zu stützen wußte; hinter sich die gewaltigen kriege—
rischen Kräfte des französischen Volkes, das mit seiner Vergangenheit ge—
brochen hatte und sich vermaß der weiten Erde Gesetze zu geben.
So ist in dem Kopfe des großen Heimathlosen, dem das Seelenleben
der Völker, die Welt der Ideen immer unverständlich blieb, jetzt schon der
entsetzliche Gedanke eines neuen Weltreichs entstanden. Die Bilder der
Caesaren und Karolinger standen leuchtend vor seinem Geiste; die reiche
Geschichte eines Jahrtausends sollte durch ein gigantisches Abenteuer ver—
nichtet werden, die vielgestaltige Culturwelt des Abendlandes dem Macht—
gebote eines ungeheuren Menschen gehorchen. Mit einer wunderbaren
Sicherheit und Gewissensfreiheit stürmte diese neue, durchaus unfranzösische
Politik der Welteroberung ihren Zielen entgegen. Bonaparte's Scharfblick
erkannte sofort, durch welche Mittel das in Deutschland siegreiche, in Italien
besiegte Oesterreich zu einem vorläufigen Frieden zu zwingen sei; er durch—
schaute Thugut's adriatische Pläne, verschaffte sich durch unerhörten Ver—
rath den Vorwand die neutrale Republik Venedig zu bekriegen, warf die
waffenlose nieder und bot dann für Mailand, Belgien und das linke
Rheinufer dem kaiserlichen Hofe den Besitz Venetiens an — eine Ab—
rundung, die für Oesterreich fast willkommener war als die verlorenen
unhaltbaren Außenposten. Außerdem wurde dem Kaiser das secularisirte
Hochstift Salzburg und Baiern bis zum Inn, seinem aus Modena ver—
triebenen Vetter der Breisgau versprochen. Auf solche Bedingungen hin
wurde am 17. October 1797 der Friede von Campo Formio geschlossen.
Wieder einmal sollte das heilige Reich die Buße zahlen für Oester—