Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Der Länderhandel in Paris. 185 
Alle, die Guten wie die Bösen, wurden in das wüste Treiben hinein— 
gerissen; denn von den Regensburger Verhandlungen stand doch nichts 
zu erwarten, und wer hier in Paris nicht mit dreisten Händen zugriff, 
ward von den Nachdrängenden unerbittlich unter die Füße getreten. Selbst 
der Wackerste der deutschen Kleinfürsten, der alte Karl Friedrich von Baden, 
mußte seine feilschenden Unterhändler gewähren lassen. Mitten im Ge— 
tümmel der bittenden und bietenden Kleinen stand mit selbstgewisser Gönner— 
chese traute sich's zu den Meister aller Listen selber zu überlisten und 
bemerkte nicht, wie schwer Preußen sein eigenes Ansehen schädigte durch die 
Begünstigung eines unsauberen Schachers, der an den Reichstag von 
Grodno, an die schmachvolle Selbstvernichtung des polnischen Adels er— 
innerte. Dieser Wettkampf der dynastischen Habgier vernichtete was im 
Reiche noch übrig war von Treu und Glauben, von Pflicht und Ehre. 
Bonaparte frohlockte; kein sittliches Band hielt den alten deutschen Staat 
mehr zusammen. Jeder Hof forderte ungescheut was ihm bequem und 
gelegen schien; die Entschädigung für wirklich erlittene Verluste diente kaum 
noch als Vorwand. Bald ergab sich, daß die rechtsrheinischen geistlichen 
Gebiete zur Befriedigung aller dieser begehrlichen Wünsche nicht aus— 
reichten, und man ward einig, auch den Reichsstädten den Garaus zu 
machen, da ja die Reichsstädte des linken Ufers ebenfalls ohne Ent— 
schädigung vernichtet waren. Endlich wurde die große Länderversteigerung 
geschlossen; der Zuschlag erfolgte theils an die Meistbietenden, theils an 
die Günstlinge Preußens und Rußlands, vornehmlich aber an jene Höfe, 
welche sich Bonaparte zu Stützen seiner deutschen Politik auserlesen hatte. 
Unumwunden schrieb er nach vollzogenem Geschäfte dem mit dem Czaren 
nahe verwandten Markgrafen Karl Friedrich: das badische Haus habe 
nunmehr den Rang erlangt, „welchen seine vornehme Verwandtschaft und 
das wahre Interesse Frankreichs erheischen."“ 
Nachdem in Paris das Wesentliche geordnet war, schritten Frankreich 
und Rußland in Regensburg als Vermittler ein; Bonaparte ließ dem 
Czaren eine scheinbare Mitwirkung um dessen Eifersucht zu beschwichtigen 
und einen Wunsch Preußens zu erfüllen. Die Mediatoren erklärten mit 
gutem Grunde, die Eifersucht und der Gegensatz der Interessen am Reichs- 
tage mache ihre Vermittlung nothwendig; sie legten ihren Entschädigungs- 
plan vor und schlossen herrisch: es sei ihr Wille, daß nichts daran ge- 
ändert werde. Der Kaiser widerstrebte noch immer und gab erst nach, 
als Preußen und Baiern mit Frankreich ein förmliches Bündniß schlossen 
und eine drohende Note aus Petersburg eintraf; dann aber trug der 
uneigennützige Beschützer der geistlichen Staaten kein Bedenken, seine Erb- 
lande durch die Bisthümer Trient und Brixen abzurunden. In der 
Reichsdeputation währte der landesübliche Hader noch eine Weile fort. Die 
russischen Staatsmänner klagten voll Ekels, wie langweilig und ermüdend
	        
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