Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Wiederausbruch des englisch-französischen Krieges. 213 
Italien und Holland durch Bonaparte den englischen Waaren verschlossen 
wurden. In voller Uebereinstimmung mit seinem Volke weigerte sich der 
Hof von St. James, Malta zu räumen so lange Holland und die Schweiz 
von französischen Truppen besetzt seien. Bonaparte hatte unterdessen längst 
beschlossen den Krieg mit dem unangreifbaren Feinde wieder aufzunehmen. 
Schon im März 1803, lange bevor der Bruch zwischen den beiden West— 
mächten erfolgte, sendete er seinen Vertrauten Duroc nach Berlin, mit 
der Anzeige, daß er sich genöthigt sehe Hannover in Beschlag zu nehmen. 
Da er Englands Seemacht nicht bewältigen konnte, dachte er durch die 
Besetzung von Tarent und Hannover dem britischen Handel die Absatz— 
wege nach Italien und dem deutschen Norden zu sperren. 
So war der letzte und einzige Stolz der preußischen Politik, die 
Neutralität Norddeutschlands in Frage gestellt. Um den gleichen Schlag 
vom deutschen Reiche abzuwenden hatte einst Friedrich den Westminster-Ver— 
trag geschlossen, die Gefahren des siebenjährigen Krieges auf sich genommen, 
und dies in Zeiten da das linke Rheinufer noch deutsch, die Macht Frank— 
reichs bei weitem weniger furchtbar war. Selbst Graf Haugwitz rieth 
dringend durch einen entschlossenen Einmarsch dem ersten Consul zuvor— 
zukommen. Die Lage war freilich keineswegs einfach. In Wien sah man 
die Verlegenheiten Preußens mit offenbarer Genugthuung, ein Hilfegesuch 
der hannoverschen Regierung wurde kurz abgewiesen, von den Pflichten des 
Reichsoberhauptes war keine Rede mehr. England that gar nichts um das 
Stammland seiner Könige, die Pflanzschule seiner besten Soldaten vor 
einem Ueberfalle zu sichern. In Hannover selbst war die Occupation, 
welche Preußen vor zwei Jahren zum Besten des Landes gewagt, sehr übel 
aufgenommen worden; statt der freundnachbarlichen Gesinnung der frideri— 
cianischen Zeiten herrschten Verstimmung und Mißtrauen. Doch was wogen 
diese Bedenken gegenüber dem drängenden Gebote der Ehre und der Selbst— 
behauptung? Der letzte Rest des preußischen Ansehens fiel dahin, wenn 
französische Truppen ungehindert mittenhinein zwischen die östlichen und 
westlichen Provinzen, bis dicht vor die Wälle der Hauptfestung Magdeburg 
drangen. Aus Bonaparte's späteren Aeußerungen geht mit Sicherheit her— 
vor, daß ein rechtzeitiger kräftiger Entschluß des Berliner Hofes in jenem 
Augenblicke den Krieg mit Frankreich nicht herbeigeführt hätte. Der erste 
Consul lebte und webte damals in den grandiosen Plänen der Eroberung 
Englands. Er versammelte sein Heer an der Küste von Boulogne, und 
dort in der strengen militärischen Schule eines zweijährigen Uebungs— 
lagers brachte er die technische Ausbildung seiner großen Armee zur Voll— 
endung. Im Volke wallte der Nationalhaß des fünfzehnten Jahrhunderts 
wieder auf; eine Transportflotte, durch freiwillige Beiträge der Nation 
erheblich verstärkt, lag bereit das Heer an die feindliche Küste zu führen. 
Wenn es nur gelang zwölf Stunden lang den Canal zu beherrschen, 
dann mußte die Landung gewagt werden, und — „dann wird England
	        
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