Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Besetzung von Hannover. 215 
Capitulation führte sodann zur Entwaffnung der kleinen Armee. Den 
Tod im Herzen, fluchend auf die Hundsvötter von der Regierung und 
den Landständen, ließen die verrathenen Soldaten die Schande über sich 
ergehen. Hunderte entkamen einzeln an Bord englischer Schiffe und 
traten in die deutsche Legion des Königs von Großbritannien. Jedermann 
im Lande unterstützte die Flüchtigen und half ihnen weiter; das Volk 
hielt zusammen wie in einer großen Verschwörung. Die unglücklichen 
Capitulanten von Suhlingen bildeten den Kern jener glorreichen Regi- 
menter, welche nachher in Spanien den Kampf gegen Frankreich wieder 
aufnahmen und das stolze Peninsula auf ihre Fahnen schrieben. So 
unverwüstlich dauerte die alte Treue im deutschen Volke; nur der große 
Wille fehlte, der solche herrliche Kräfte würdig zu benutzen verstand. 
Als es zu spät war erkannte Czar Alexander den begangenen Fehler. 
Das Berliner Cabinet aber bemühte sich in vergeblichen Unterhandlungen 
den ersten Consul zur Räumung des hannoverschen Landes zu bewegen. 
Die holden Täuschungen, welche der leichtgläubige Lombard von einer 
Unterredung mit Bonaparte aus Brüssel heimbrachte, verflogen schnell. 
Bald erfuhr man, daß Frankreich die preußische Allianz verlangte, ohne 
irgend eine ernste Gegenleistung zu versprechen. Der König fühlte, daß 
er einen solchen Schritt vor seinem Lande nicht verantworten könne, und 
wendete sich wieder an Rußland um seinen Staat aus einer unerträg- 
lichen Pressung zu befreien. Es war sein Verdienst, daß am 4. Mai 1804, 
Preußen und Rußland sich zu gegenseitiger Hilfe verpflichteten, falls Bo- 
naparte noch in andere deutsche Reichslande übergreifen sollte. Aber zu- 
gleich unterhandelte man mit Frankreich, erhielt die unbestimmte Zusage, 
daß die französischen Truppen nicht über die hannoverschen Grenzen hin- 
ausschreiten würden, und verbürgte sich für die Neutralität Norddeutsch- 
lands. Noch immer fehlte es in Berlin nicht an guten Einfällen und 
Absichten. Man ließ in Weimar wegen einer Erneuerung des Fürsten- 
bundes anfragen, und Hardenberg, der seit April 1804 dem Ministerium 
angehörte, sprach bereits die Idee aus, welche nachher in der zweiten Hälfte 
seines öffentlichen Lebens den Grundgedanken seiner deutschen Politik ge- 
bildet hat: den Plan, ganz Deutschland zu einem Staatenbunde unter 
der gemeinsamen Führung Oesterreichs und Preußens zu vereinigen. Doch 
jedem guten Einfall brach die friedensselige Aengstlichkeit des Cabinets die 
Spitze ab. Alle preußischen Staatsmänner schmeichelten sich mit dem 
Wahne, der durch die Erfahrungen der jüngsten fünfzehn Jahre bestätigt 
zu werden schien: als ob der Staat durch friedliche Verhandlungen einen 
Gewinn, eine Verstärkung seines unhaltbaren Besitzstandes erlangen könne. 
Auch der gewandte neue Minister des Auswärtigen war noch weit ent- 
fernt von der Einsicht, daß allein ein europäischer Bund gegen Frankreich 
die Rettung bringen konnte, sondern erhoffte von Frankreichs Freundschaft 
eine Vergrößerung des preußischen Gebiets.
	        
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