Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Dritte Coalition. 219 
die Verständigung mit Preußen zu fordern. Wie tief sich auch das Miß— 
trauen gegen den nordischen Nebenbuhler eingefressen hatte, die Unent— 
behrlichkeit der preußischen Waffenhilfe konnte man in der Hofburg nicht 
ganz verkennen; im Verlaufe der geheimen Verhandlungen von 1805 
ließ Oesterreich einmal alles Ernstes in Berlin eine Neugestaltung der 
deutschen Verfassung vorschlagen, also daß der Norden unter Preußens, 
der Süden unter Oesterreichs Oberhoheit käme. Aber am preußischen 
Hofe überwog noch immer der landesväterliche Wunsch nach gesicherter 
Ruhe; man hoffte den Frieden auf dem Festlande zu erhalten, wo nicht, 
die Neutralität Norddeutschlands zu behaupten. Selbst Hardenberg er- 
ging sich noch in optimistischen Träumen; er fand, die Macht Frankreichs 
werde allgemein überschätzt, und wollte die Hände frei behalten um nö- 
thigenfalls selbst durch ein französisches Bündniß die nothwendige Ver- 
stärkung der Monarchie, vor Allem die Einverleibung Hannovers, zu er- 
reichen. Es war sein Werk, daß Preußen auf die Anfragen der beiden 
Kaiserhöfe gar keine beruhigende Zusage gab. 
So überließ sich denn der junge Czar, durch keinen überlegenen Willen 
gebändigt, haltlos den Einfällen seines unruhigen Kopfes. Dem großen 
Staatsmanne, der seit zehn Jahren fast ununterbrochen den zähen Kampf 
Englands gegen Frankreich leitete, fehlte, wie allen britischen Diplomaten, 
die gründliche Kenntniß festländischer Verhältnisse. Unbedacht ging William 
Pitt auf die verworrenen Pläne Alexander's ein; schon im April 1805 
wurde das geheime Kriegsbündniß zwischen Rußland und England abge- 
schlossen. Unterdessen setzte sich Napoleon die italienische Königskrone auf 
das Haupt und schrieb dem Czaren wie zum Hohne: nur der Wunsch 
der italienischen Nation nöthige ihn dies Opfer seiner Größe zu bringen. 
Dann wurde die ligurische Republik dem Kaiserreiche einverleibt und da- 
durch auch das zaudernde Oesterreich in das Lager der dritten Coalition 
hinübergedrängt. Gewaltige, weitaussehende Entwürfe beschäftigten die 
verbündeten Höfe: man wollte Frankreichs Grenzen bis zum Rhein und 
zur Mosel zurückschieben, für Deutschland, Holland und die Schweiz die 
volle Unabhängigkeit wiedergewinnen, die Kronen von Frankreich und 
Italien für immer trennen; man hoffte, ganz im Sinne der alten englisch- 
niederländischen Barrierenpolitik, die ausgreifende Macht des französischen 
Staats durch die Verstärkung von Holland, Piemont und der Schweiz 
zu bändigen. Für Preußen war, wenn es noch beitrat, das oranische 
Fulda und das niederrheinische Land von der Mosel bis zur niederländischen 
Grenze in Aussicht genommen. Ein allgemeiner Congreß sollte nach dem 
Siege die neue Ländervertheilung ordnen; selbst die Entthronung des 
Corsen hielt man nicht für unerreichbar. Aber zu so kühnen Absichten 
standen die langsamen, schwächlichen Rüstungen in einem schreienden Miß- 
verhältniß. So gefährlich die zweite Coalition von 1799 für Frankreich 
gewesen, ebenso leichtsinnig und aussichtslos war die dritte.
	        
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