Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

234 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. 
auch Stadion's Rath; doch die alte Begehrlichkeit der habsburgischen 
Dynastenpolitik wollte selbst in diesen finsteren Tagen, da eine tausend- 
jährige Geschichte ihren tragischen Abschluß fand, nicht zur Ruhe gelangen. 
Wie seine Ahnen den Besitz des Kaiserthrones immer nur als ein Mittel 
zur Vermehrung ihrer Hausmacht angesehen hatten, so dachte Kaiser Franz 
auch die Niederlegung der Krone noch zu einem einträglichen Handels- 
geschäfte zu verwerthen. „Der Zeitpunkt zur Abtretung der Kaiserwürde"“ 
— so schrieb er — „ist jener, wo die Vortheile, die aus solcher für meine 
Monarchie entspringen, durch die Nachtheile, die durch eine fernere Bei- 
behaltung derselben entstehen könnten, überwogen werden.“ Darum solle 
Graf Metternich nach Paris eilen um dort „die Kaiserwürde recht hoch 
anzurechnen und keine Abneigung zur Abtretung der gedachten Würde, 
vielmehr eine Bereitwilligkeit hierzu, jedoch nur gegen große für meine 
Monarchie zu erhaltende Vortheile merken zu lassen". Mit solchen Ge- 
sinnungen nahm der letzte römisch-deutsche Kaiser Abschied von dem Purpur 
der Salier und der Staufer. Der altgewohnte Phrasenschwall von reichs- 
väterlicher Treue und reichsoberhauptlicher Fürsorge verfing nicht mehr; 
die Politik des Hauses Oesterreich bekannte endlich mit dürren Worten, 
wie sie zu Deutschland stand. Aber das geplante Handelsgeschäft miß- 
lang. Als Metternich in Paris eintraf, war die Rheinbundsacte bereits 
abgeschlossen. Der deutsche Kaiser stand der vollendeten Thatsache gegen- 
über und mußte noch erleben, daß in Regensburg Napoleon und seine 
Vasallen die förmliche Aufhebung des Reiches aussprachen. 
Dem Reichstage war inzwischen durch einen der treuesten Reichs- 
stände noch die letzte Beschimpfung geboten worden; der Heißsporn des 
Royalismus, König Gustav von Schweden, rief seinen Gesandten ab, denn 
es sei unter seiner Würde theilzunehmen an Beschlüssen, die unter dem 
Einfluß der Usurpation und des Egoismus ständen. Als in Paris die 
Vorbereitungen zur Stiftung des Rheinbundes getroffen wurden, ließ 
Dalberg vorsorglich die Regensburger Versammlung in die Ferien reisen. 
Am 1. August erklärten dann acht Gesandte im Namen der rheinbündischen 
Fürsten, daß ihre durchlauchtigen Herren es „ihrer Würde und der Rein- 
heit ihrer Zwecke angemessen“ fänden, sich feierlich loszusagen von dem 
heiligen Reiche, das in der That schon ausgelöst sei; sie stellten sich unter 
„den mächtigen Schutz des Monarchen, dessen Absichten sich stets mit dem 
wahren Interesse Deutschlands übereinstimmend gezeigt haben“. Gleich- 
zeitig verkündete der französische Gesandte, Napoleon erkenne das Reich 
nicht mehr an, das längst schon nur ein Schatten seiner selbst gewesen. 
In den alten Jahrhunderten der Gewalt und der Roheit blieb ein letztes 
Gefühl der Scham den Germanen immer unverloren; der Mörder mied 
die Nähe seines Opfers, weil er fürchtete das rothe Blut wieder aus den 
Wunden des Leichnams hervorbrechen zu sehen. Anders empfand dies 
neue vorurtheilsfreie Geschlecht; als die Erklärung vom 1. August ver-
	        
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