292 I. 3. Preußens Erhebung.
höherem Maße die begeisternde Zuversicht des Helden, jenen freudigen
Fatalismus, der den Feldherrn macht. Wie stolz und sicher spannte er
jetzt seine Segel aus, da er endlich nach den Irrfahrten einer leidenschaft-
lichen Jugend und nach der langen traurigen Windstille des subalternen
Dienstes auf die hohe See des Lebens gelangt war. Jede Aufgabe, die ihm
das Schicksal bot, griff er mit glücklichem Leichtsinn an, unbedenklich über-
nahm der Infanterist das Commando der Ingenieure und die Aussicht
über die Festungen. Während Scharnhorst bedächtig die Gefahren des
nächsten Tages erwog, dachte Gneisenau immer mit glühender Sehnsucht
an die Stunde der Erhebung und hieß auch die Narren freundlich will-
kommen, wenn sie nur mithelfen wollten bei der großen Verschwörung.
Eine verwandte Natur war Grolman, hochherzig, hell und freudig,
scharf und schonungslos in That und Rede, geschaffen für das Schlacht-
gewühl, für das kühne Ergreifen der Gunst des Augenblicks; doch er sollte
die Grausamkeit des Soldatenschicksals schwer erfahren und niemals im
Kriege an erster Stelle stehen. In der Weise seines Auftretens schien
Boyen dem General am ährlichsten, ein ernsthafter, verschlossener Ost-
preuße, der zu den Füßen von Kant und Kraus gesessen hatte, auch als
Poet mit der neuen Literatur in regem Verkehre stand. Nur die feurigen
Augen unter den buschigen Brauen verriethen, welche stürmische Verwegen-
heit in dem einfachen, wortkargen Manne schlummerte. Er hat die orga-
nisatorischen Ideen Scharnhorst's nach seiner stillen Art in sich verarbeitet
und fortgebildet und nach den Kriegen dem neuen Volksheere seine blei-
bende Verfassung gegeben. Der Jüngste endlich aus diesem Freunde kreise,
Carl von Clausewitz, war mehr als die Aelteren ein vertrauter Schüler
Scharnhorst's, tief eingeweiht in die neuen kriegswissenschaftlichen Theorien,
womit jener sich trug; nachher hat er sie selbständig ausgestaltet und
durch eine Reihe von Werken, deren classische Form die Schriften des
Meisters weit übertraf, der Lehre vom Kriege ihren Platz in der Reihe
der Staatswissenschaften gesichert. Ein großer wissenschaftlicher Kopf, ein
Meister des historischen Urtheils war er vielleicht zu kritisch und nach-
denklich um so beherzt wie Gneisenau das Glück der Schlachten bei der
Locke zu fassen, aber keineswegs bloß ein Mann der Bücher, sondern ein
praktischer, tapferer Soldat, der mit offenem Auge in das Getümmel des
Lebens schaute. Soeben kehrte er mit dem Prinzen August aus der Kriegs-
gefangenschaft zurück. Dort in Frankreich hatte sich seine Liebe für die
jugendliche Wahrhaftigkeit und Frische der Germanen bis zum Enthusias-
mus gesteigert; er brachte die Ueberzeugung mit heim: diese Franzosen seien
im Grunde noch immer ein ebenso unmilitärisches Volk wie einst in den
Tagen der Hugenottenkriege, da sie vor den deutschen Lansquenets und
Reitres zitterten; wie könne der uralte Charakter der Nationen sich in
zehn Jahren verändern? wie sollten die hundertmal Besiegten auf die
Dauer das waffenmächtige Deutschland beherrschen?