Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die historische Rechtslehre. 313 
Jahrhunderts; die Bilderpracht ihrer Wände war mit Gips und Mörtel 
überdeckt, an den gothischen Altären klebten Pfrophenziehersäulen und Po— 
saunenengel. Nun führten der Kirchenhaß und der harte Nützlichkeits- 
sinn der rheinbündisch-französischen Bureaukratie einen neuen Bildersturm 
über Baiern, Schwaben und die Rheinlande herauf. Eine Menge ehr- 
würdiger Kirchen ward ausgeplündert und kam unter den Hammer; ein 
jammervoller Anblick, wenn beim Abbrechen der Mauern der Mörtel her- 
absiel und die schönen alten Fresken auf wenige Augenblicke wieder im 
Tageslichte glänzten um alsbald für immer zu verschwinden. Da faßten 
sich die Brüder Boisseree das Herz, zu retten was noch zu retten war 
aus der großen Zerstörung; ihre stille treue Thätigkeit war das erste 
Lebenszeichen der wiedererwachenden deutschen Gesinnung am linken Ufer. 
Unermüdlich suchten sie unter dem Gerümpel auf den Böden der rheinischen 
Patricierhäuser die vergessenen altdeutschen Gemälde zusammen. Ihre alte 
Mutter begleitete das fromme Werk mit ihrem Segen, die romantischen 
Freunde draußen im Reiche halfen treulich mit. Wie freuten sich Gör- 
res und Savigny, wenn sie ein schönes Altarschnitzwerk für wenige Kreuzer 
irgendwo von einem Bauern oder Trödler erstanden hatten und den Brü- 
dern senden konnten. Alles war willkommen und fand Bewunderung 
was nur die echten Züge altdeutschen Geistes trug: die idealistische Weich- 
heit der kölnischen Malerschule so gut wie Dürer's Tiefsinn und der 
kräftige Realismus der alten Niederländer. Dann fand Sulpiz Beisseree 
einige der alten Risse des Kölner Domes wieder auf und entwarf nun 
frohen Muthes die Zeichnungen für sein großes Dom-Werk. Mitten in 
den argen Tagen, da Napoleon einmal seine gute Stadt Köln besuchte 
und das schönste Gotteshaus der Deutschen nach wenigen Minuten eilig 
wieder verließ um ein Kürassierregiment zu inspiciren, träumte jener 
treue Sohn des Rheinlandes schon von dem Wiederauferstehen der Kölner 
Bauhütte, die einst durch Jahrhunderte der lebendige Herd der deutschen 
Kunst am Rheine gewesen. 
Derselbe feste Glaube an die Unsterblichkeit des deutschen Volkes bescelte 
auch den Schöpfer unserer Staats= und Rechtsgeschichte, K. F. Eichhorn. 
Die alte Herrschaft des gemeinen Rechts schien für immer gebrochen, das 
Gebiet des Code Napoleon erstreckte sich bis zu den Ufern der Elbe, die 
Juristen des Rheinbundes legten das deutsche Recht schon zu den Todten. 
Doa zeigte Eichhorn, wie der rechtsbildende Gemeingeist der deutschen Nation 
in allem Wandel der Staatsverfassungen doch immer lebendig geblieben, 
wie allein aus dieser bleibenden Naturkraft das Werden und Wachsen 
des deutschen Rechtes zu erklären sei. Diese historische Ansicht von dem 
Wesen des Rechts, die schon durch Herder und die älteren Romantiker 
vorbereitet war, kam jetzt mit einem male zur Reife, sie entsprang so 
nothwendig aus der Weltanschauung des neuen Zeitalters, daß sie gleich- 
zeitig von Männern der verschiedensten Anlage vertreten wurde: — so
	        
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