Anfänge Brandenburgs. 25
der Staatenbildung von Altersher überlegen. Nur so lange der Sachsen—
stamm die Krone trug blieb die deutsche Monarchie ein lebendiges König—
thum; ihre Macht zerfiel unter den Händen der Franken und der
Schwaben, zumeist durch den trotzigen Ungehorsam der sächsischen Fürsten.
Dann erwuchsen in Niederdeutschland die zwei mächtigsten politischen
Schöpfungen unseres späteren Mittelalters, die Hansa und der deutsche
Orden, beide unabhängig von der Reichsgewalt, oftmals mit ihr verfeindet.
Im Norden stand die Wiege der Reformation; an dem Widerstande der
Norddeutschen scheiterte die hispanische Herrschaft, und seit die undeutsche
Politik der Habsburger den Dualismus im Reiche hervorgerufen, blieb
der Norden das Kernland der deutschen Opposition. Die Führung dieser
Opposition ging im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts von dem un—
fähigen Geschlechte der Wettiner auf die Hohenzollern über. Der Schwer—
punkt deutscher Politik verschob sich nach dem Nordosten.
Dort in den Marken jenseits der Elbe war aus dem Grundstock der
niedersächsischen Eroberer, aus Einwanderern von allen Landen deutscher
Zunge und aus geringen Trümmern des alteingesessenen Wendenvolkes
ein neuer norddeutscher Stamm emporgewachsen, hart und wetterfest, ge—
stählt durch schwere Arbeit auf kargem Erdreich wie durch die unablässigen
Kämpfe des Grenzerlebens, klug und selbständig nach Colonistenart, ge—
wohnt mit Herrenstolz auf die slavischen Nachbarn herabzusehen, so schroff
und schneidig, wie es die gutmüthig gespaßige Derbheit des niederdeutschen
Charakters vermag. Dreimal hatte dies vielgeprüfte Land das rauhe
Tagewerk der Culturarbeit von vorn begonnen: zuerst als die ascanischen
Eroberer die Tannenwälder an den Havelseen rodeten und ihre Städte,
Burgen und Klöster im Wendenlande erbauten; dann abermals zu Be—
ginn des fünfzehnten Jahrhunderts, als die ersten Hohenzollern den
unter bairisch-lützelburgischer Herrschaft völlig zerrütteten Frieden und
Wohlstand sorgsam wieder herstellten; und jetzt wieder war Brandenburg
durch die Schrecken der dreißig Jahre schwerer heimgesucht als die meisten
deutschen Lande, mußte sich die ersten Anfänge der Gesittung von Neuem
erobern.
Die rauhe Sitte des armen Grenzlandes blieb während des Mittel—
alters im Reiche übel berüchtigt. Der römischen Kirche ist aus dem
Sande der Marken niemals ein Heiliger erwachsen; selten erklang ein
Minnelied an dem derben Hofe der ascanischen Markgrafen. Die flei—
ßigen Cistercienser von Lehnin trachteten allezeit mehr nach dem Ruhme
tüchtiger Landwirthe als nach den Kränzen der Kunst und Gelehrsamkeit;
den handfesten Bürgern der märkischen Städte verfloß das Leben in grober,
hausbackener Arbeit, nur die Prenzlauer durften ihre Marienkirche mit
den prächtigen Bauten der reichen Ostseestädte vergleichen. Allein durch
kriegerische Kraft und starken Ehrgeiz ragte der Staat der Brandenburger
über die Nachbarstämme hervor; schon die Ascanier und die Lützelburger