Alexander verhindert den allgemeinen Krieg. 345
ferner Geld und Waffen von England sowie die Landung eines britischen
Corps in Deutschland. Sein Staat war von allen Mitteln entblößt.
Um nur etwas für die Rüstungen thun zu können hatte man schon, un—
vorsichtig genug, die vertragsmäßigen Contributionszahlungen an Frank—
reich eingestellt; und wie sollte die kleine Armee, in Schach gehalten wie
sie war durch die Festungen des Feindes, sich im Felde behaupten, wenn
sie nicht einen Rückhalt an der Küste fand? Das Allerwichtigste blieb
doch die Gefahr, die von Rußland, dem Verbündeten Frankreichs, drohte;
nur wenn er gegen den Osten gesichert war, schien dem Könige das Unter-
nehmen nicht völlig aussichtslos. Napoleon durchschaute sehr wohl die ver-
zweifelte Lage seines geheimen Gegners und meinte gleichmüthig: „Preußen
ist heute sehr wenig; ich habe der Mittel genug es zu unterwerfen.“
Der König hatte mit richtigem Blicke die unerläßlichen Voraussetzun-
gen bezeichnet, von denen Preußens Kriegserklärung abhing; bald genug
mußte er erfahren, daß keine einzige dieser Bedingungen sich erfüllte.
Noch vor Ausbruch des Krieges schrieb er inständig drängend an den
Czaren und bat um die bestimmte Zusage, daß Rußland ihn unterstützen
oder doch nicht angreifen werde, wenn er sich mit Oesterreich verbinde.
Alexander antwortete: erfülle Preußen seine Verpflichtungen gegen Frank-
reich nicht, so könne er deshalb sich mit Napoleon nicht überwerfen. Am
12. Mai schrieb der König nochmals: eine unglückliche Schilderhebung
würde leicht zur Vernichtung Preußens führen, er müsse mindestens die
Sicherheit haben, daß Rußland den Untergang dieses Staates nicht
dulden werde. Auch diesmal lautete die Antwort des Czaren abschlägig;
sein Brief enthielt unter schwungvollen Worten und brünstigen Freund-
schaftsbetheuerungen nur diesen greifbaren Inhalt: Rußland könne sich
für jetzt nicht rühren, auch wenn der preußische Staat von der Landkarte
verschwände. Es stand nicht anders: der russische Freund wollte das
preußische Schwert in der Scheide zurückhalten bis er sich selbst des Er-
werbes der heißersehnten Donauprovinzen versichert hatte. Und es war
ihm Ernst damit. Die Hilfsarmee, welche der Czar seinem französischen
Verbündeten zugesagt, rückte wirklich durch Warschau gegen Galizien vor.
Wenngleich sie den Krieg mit äußerster Schonung, fast nur zum Scheine
führte und die aufständischen Polen in Galizien weit mehr zu fürchten
schien als die Oesterreicher selber, so bewirkte sie doch, daß ein Theil des
österreichischen Heeres von den Entscheidungsschlachten an der Donau fern
gehalten wurde. Ein russisches Armcecorps hielt dicht an der ostpreußischen
Grenze, konnte in jeder Stunde einmarschiren sobald Preußen Miene
machte sich zu regen. Diese Haltung Rußlands ward entscheidend für
das Verfahren des Königs.
Aber auch von England geschah monatelang gar nichts was dem
preußischen Hofe die Erhebung erleichtern konnte. Die Hofburg endlich
konnte von dem alten Hochmuth der Ferdinande nicht lassen. Während