Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Alexander verhindert den allgemeinen Krieg. 345 
ferner Geld und Waffen von England sowie die Landung eines britischen 
Corps in Deutschland. Sein Staat war von allen Mitteln entblößt. 
Um nur etwas für die Rüstungen thun zu können hatte man schon, un— 
vorsichtig genug, die vertragsmäßigen Contributionszahlungen an Frank— 
reich eingestellt; und wie sollte die kleine Armee, in Schach gehalten wie 
sie war durch die Festungen des Feindes, sich im Felde behaupten, wenn 
sie nicht einen Rückhalt an der Küste fand? Das Allerwichtigste blieb 
doch die Gefahr, die von Rußland, dem Verbündeten Frankreichs, drohte; 
nur wenn er gegen den Osten gesichert war, schien dem Könige das Unter- 
nehmen nicht völlig aussichtslos. Napoleon durchschaute sehr wohl die ver- 
zweifelte Lage seines geheimen Gegners und meinte gleichmüthig: „Preußen 
ist heute sehr wenig; ich habe der Mittel genug es zu unterwerfen.“ 
Der König hatte mit richtigem Blicke die unerläßlichen Voraussetzun- 
gen bezeichnet, von denen Preußens Kriegserklärung abhing; bald genug 
mußte er erfahren, daß keine einzige dieser Bedingungen sich erfüllte. 
Noch vor Ausbruch des Krieges schrieb er inständig drängend an den 
Czaren und bat um die bestimmte Zusage, daß Rußland ihn unterstützen 
oder doch nicht angreifen werde, wenn er sich mit Oesterreich verbinde. 
Alexander antwortete: erfülle Preußen seine Verpflichtungen gegen Frank- 
reich nicht, so könne er deshalb sich mit Napoleon nicht überwerfen. Am 
12. Mai schrieb der König nochmals: eine unglückliche Schilderhebung 
würde leicht zur Vernichtung Preußens führen, er müsse mindestens die 
Sicherheit haben, daß Rußland den Untergang dieses Staates nicht 
dulden werde. Auch diesmal lautete die Antwort des Czaren abschlägig; 
sein Brief enthielt unter schwungvollen Worten und brünstigen Freund- 
schaftsbetheuerungen nur diesen greifbaren Inhalt: Rußland könne sich 
für jetzt nicht rühren, auch wenn der preußische Staat von der Landkarte 
verschwände. Es stand nicht anders: der russische Freund wollte das 
preußische Schwert in der Scheide zurückhalten bis er sich selbst des Er- 
werbes der heißersehnten Donauprovinzen versichert hatte. Und es war 
ihm Ernst damit. Die Hilfsarmee, welche der Czar seinem französischen 
Verbündeten zugesagt, rückte wirklich durch Warschau gegen Galizien vor. 
Wenngleich sie den Krieg mit äußerster Schonung, fast nur zum Scheine 
führte und die aufständischen Polen in Galizien weit mehr zu fürchten 
schien als die Oesterreicher selber, so bewirkte sie doch, daß ein Theil des 
österreichischen Heeres von den Entscheidungsschlachten an der Donau fern 
gehalten wurde. Ein russisches Armcecorps hielt dicht an der ostpreußischen 
Grenze, konnte in jeder Stunde einmarschiren sobald Preußen Miene 
machte sich zu regen. Diese Haltung Rußlands ward entscheidend für 
das Verfahren des Königs. 
Aber auch von England geschah monatelang gar nichts was dem 
preußischen Hofe die Erhebung erleichtern konnte. Die Hofburg endlich 
konnte von dem alten Hochmuth der Ferdinande nicht lassen. Während
	        
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