422 J. 4. Der Befreiungskrieg.
Nachrichten von Knesebeck, der in Kalisch mit Alexander über das Kriegs—
bündniß verhandelte. Der König hatte den Czaren über die Wiener Ver—
handlungen brieflich unterrichtet und ihm ehrlich eingestanden, daß er
dapoleon ganz in's Unrecht zu setzen hoffe; „so werde ich folgerecht und
meinem Charakter gemäß handeln.““) Die Absicht Preußens ging, wie
natürlich, auf die Wiedererlangung seiner alten Machtstellung, auf die
Aufhebung des Rheinbundes und die Befreiung Deutschlands bis zum
Rheine. Da trat jene unselige polnische Frage, die so oft schon das ge-
meinsame Handeln der drei Ostmächte verhindert hatte, trennend zwischen
die Freunde. Der Czar war zu Allem bereit, nur über das Schicksal
des Warschauer Landes wollte er vor dem siegreichen Ende des Krieges
sich nicht aussprechen; er deutete an, sein Verbündeter könne für den
polnischen Besitz reiche Entschädigung finden in den norddeutschen Rhein-
bundsstaaten, namentlich in Sachsen, wenn dessen König dem französischen
Bunde treu bliebe)
Alexander stand längst wieder in geheimem Verkehre mit Czartoryski.
Kaum waren die napoleonischen Träume des vielgewandten Polen in den
Flammen zu Moskau zu nichte geworden, so drängte er sich abermals
an seinen kaiserlichen Freund heran, mit jener glücklichen Unbefangenheit,
die in der langen Schule jesuitischer Erziehung den Helden sarmatischer
Freiheit zur anderen Natur geworden ist, und einigte sich endlich mit dem
Czaren über die Aufrichtung eines selbständigen constitutionellen Polen-
reichs unter dem Scepter des russischen Selbstherrschers. Der Czar hoffte
eine Zeit lang, die Polen würden auf seinen Ruf sich ihm freiwillig an-
schließen. Aber keine Hand im Lande rührte sich. Die Masse des Volks
hatte in dem rasenden Schicksalswechsel der jüngsten Jahre jeden Willen,
jede Hoffnung verloren. Die deutschen Einwanderer, die Juden und wer
von den Polen in ruhigem Gewerbfleiße thätig war sehnten sich zurück
nach der Ordnung und Rechtssicherheit des preußischen Regiments. Der
größte Theil des Adels blieb im französischen Lager, gleich ihm sein Her-
zog, der König von Sachsen. Dem russischen Erbfeinde traute Niemand,
ja man erfuhr bald, daß eine große Verschwörung gegen die Moskowiter
im Werke sei. So fiel denn das Herzogthum Warschau, nach einem
kurzen Kampfe gegen die napoleonische Süd-Armee, als erobertes Feindes-
land in Alexander's Hände.
Die Russen betrachteten die Beute bereits als eine neugewonnene
Provinz; Niemand unter ihnen hätte auch nur für möglich gehalten, daß
die Besiegten fortan größerer Freiheit genießen sollten als die Sieger.
Jeder Widerstand pflegt aber den politischen Schwärmer nur in seinen
Träumen zu bestärken. Nach der Gesinnung seiner Russen hatte der Czar
*) König Friedrich Wilhelm an Kaiser Alexander, 8. 17. Febr. 1813.
**) Knesebeck's Bericht, 18. Febr. 1813.