Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

430 J. 4. Der Befreiungskrieg. 
sich um den kranken Prinzen schaarte, in offenen Streit; er ließ sich durch 
Augereau sogar bereden, die Abreise der Freiwilligen vorläufig zu ver— 
bieten. Dafür erhielt er vom Könige einen strengen Verweis; erst als 
das Kriegsbündniß geschlossen war, wurde der Rathlose durch Harden— 
berg, aber noch immer im tiefsten Geheimniß, über die Lage aufgeklärt.“*) 
Napoleon begann erst ernstlich besorgt zu werden als er von der Bildung 
der Jägerdetachements hörte; sofort befahl er seinem Stiefsohne, der den 
Oberbefehl im Nordosten führte, keine weiteren Aushebungen in Preußen 
mehr zu dulden: die Stellung in den Marken sollte mit aller Kraft be— 
hauptet, Berlin nöthigenfalls verbrannt werden. In der That war Eugen 
Beauharnais noch stark genug um den Streitkräften Wittgenstein's und 
der drei vereinigten preußischen Generale die Spitze zu bieten. Aber den 
Soldaten brannte der Boden unter den Füßen, das dumpfe Getöse dieser 
grollenden Volksbewegung schlug sie mit Schrecken; sie rechneten, bald 
werde Berlin mehr bewaffnete Preußen zählen als Franzosen. Am 4. März 
räumte der Feind die Hauptstadt und die nachsetzenden Russen lieferten 
ihm noch am Thore ein Gefecht. Am 11. hielt Wittgenstein seinen Ein- 
zug, am 17. ritt der Mann von Tauroggen die Linden entlang, streng 
und finster schweifte sein Blick über die hoch aufjubelnden Massen. Am 
nämlichen Tage nahm Leutnant Bärsch mit seinen Kosaken die Schlüssel 
von Hamburg in Empfang; gleich darauf besetzte der lustige Husar Tetten- 
born, der unterwegs die mecklenburgischen Fürsten zum Anschluß an die 
Coalition bewogen hatte, die alte Hansestadt mit seinen leichten Truppen, 
und das freudetrunkene Volk riß die verfluchten französischen Aasvögel von 
den Mauern herunter. Einige Wochen lang blieben die Deutschen in dem 
frohen Glauben, die Lande bis zur Elbe seien ohne Schwertstreich befreit. 
Den französischen Gesandten hielt der Staatskanzler immer noch mit 
freundlichen Worten hin; je länger der offene Bruch sich hinausschob, um 
so sicherer konnte die Ausrüstung der Linien-Armee vollendet werden. St. 
Marsan war dem Hoflager nach Breslau gefolgt und ließ sich nach einigen 
Verwahrungen sogar über den Aufruf vom 3. Februar beruhigen, da Har- 
denberg ihm nachwies, daß der mittellose Staat ohne die freiwilligen Opfer 
seiner Bürger nicht bestehen könne. Noch am 27. erkundigte er sich bei 
dem Staatskanzler freundschaftlic: was wohl Anstett's „außerordent- 
licher" Besuch zu bedeuten hätte.) Er sah noch mit an, wie die Schaaren 
der Freiwilligen aus allen Provinzen in der schlesischen Hauptstadt ein- 
trafen, wie der König, „um der herzerhebenden allgemeinen Aeußerung 
treuer Vaterlandsliebe ein äußeres Kennzeichen“ zu geben, das Tragen 
der Nationalkokarde anordnete und dann an Luisens Geburtstage seinen 
alten Plan, die Stiftung des eisernen Kreuzes, ausführte. Der Wohl- 
*) Goltz's Berichte, 31. Jan., 11.17.19. 25. Febr. Cabinetsordre an Goltz, 23. Febr. 
Hardenberg an Goltz, 28. Febr. 1813. 
**) St. Marsan an Hardenberg, 27. Febr. 1813. 
 
	        
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