Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

488 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
schwierigem Nachtmarsch die Höhen im Rücken des Feindes erreicht hatten. 
So von zwei Seiten her gepackt wurde Vandamme's Corps nach langem 
heißem Kampfe gänzlich zersprengt. Ueber 9000 Mann fielen in Gefangen- 
schaft, unter ihnen der rohe Führer selbst, der Henker des Bremischen 
Landes; mit Mühe rettete man ihn vor den Fäusten der deutschen Soldaten. 
An dem Tage von Kulm verwelkten die Lorbeeren von Dresden. Die 
wankende Coalition stand wieder aufrecht. Je bänger in den letzten Tagen 
die Stimmung gewesen, um so lauter lärmte jetzt die Freude über den 
schönen Bundessieg. Die drei verbündeten Nationen hatten wetteifernd 
ihr Bestes gethan: Eugen mit der russischen Garde, die tapferen öster- 
reichischen Reiter, Friedrich Wilhelm und die Helden von Nollendorf. 
Und dazu die Siegesbotschaften aus der Mark und aus Schlesien; selbst 
die an Alledem ganz unschuldigen Strategen des großen Hauptquartiers 
fingen an zu glauben, daß ein Erfolg doch möglich sei. Napoleon hatte 
binnen einer Woche eine ganze Armee, gegen 80,000 Mann, verloren und 
fand sich wieder auf derselben Stelle wie beim Beginne des Herbstfeldzugs. 
Nach abermals acht Tagen traf ihn ein neuer schwerer Schlag. Die 
Absicht, selber auf die preußische Hauptstadt vorzurücken hatte er aufge- 
geben sobald er von Blücher's Erfolgen hörte. Während er selbst nach der 
Lausitz der schlesischen Armee entgegenzog, übertrug er dem Marschall 
Ney die Leitung des vierten Zuges gegen Berlin. Der tapfere Marschall, 
der zu dem Unternehmen von Haus aus wenig Zutrauen hatte, versam- 
melte seine Armee bei Wittenberg, warf nach blutigem Gefechte eine ver- 
einzelte preußische Abtheilung zurück und marschirte am 6. September, ohne 
die Nähe des Gegners zu ahnen, über die sandige Ebene auf Jüterbog. Da 
stieß Bertrand mit der Vorhut auf Tauentzien's Preußen, und derweil 
hier ein hitziger Kampf begann, brach Bülow der französischen Marsch- 
colonne bei Dennewitz in die linke Flanke. So entspann sich eine unerwar- 
tete, weit ausgedehnte Begegnungsschlacht. Bülow wagte mit 40,000 Preußen 
den Kampf gegen den um die Hälfte überlegenen Feind, weil er auf das 
Eingreifen des Kronprinzen rechnete, der mit der Hauptmasse der Nord- 
armee in Anmarsch war. Die Franzosen standen in einem großen Bogen, 
mit der Rechten nordwärts gegen Tauentzien gerichtet, mit der Linken 
westwärts gegen Bülow. Der Marschall hielt auf dem rechten Flügel, 
hatte nur Augen für die Vorgänge in seiner Nähe. Sobald er hier die 
Seinen weichen sah, befahl er dem Corps Oudinot's vom linken Flügel 
zur Unterstützung herbeizueilen. So wurde die Linke entblößt, und es 
gelang Bülow, die Sachsen aus Göhlsdorf herauszuschlagen und bis 
Dennewitz vorzudringen. Ueberall waren die Preußen im Vorgehen, da 
verkündeten gewaltige Staubwolken das Nahen des Kronprinzen mit seinen 
siebzig Bataillonen. Bei dem Anblick dieser Truppenmassen ergriff die 
Geschlagenen ein jäher Schrecken, Ney's Armee stob in wilder Flucht aus- 
einander.
	        
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