488 I. 4. Der Befreiungskrieg.
schwierigem Nachtmarsch die Höhen im Rücken des Feindes erreicht hatten.
So von zwei Seiten her gepackt wurde Vandamme's Corps nach langem
heißem Kampfe gänzlich zersprengt. Ueber 9000 Mann fielen in Gefangen-
schaft, unter ihnen der rohe Führer selbst, der Henker des Bremischen
Landes; mit Mühe rettete man ihn vor den Fäusten der deutschen Soldaten.
An dem Tage von Kulm verwelkten die Lorbeeren von Dresden. Die
wankende Coalition stand wieder aufrecht. Je bänger in den letzten Tagen
die Stimmung gewesen, um so lauter lärmte jetzt die Freude über den
schönen Bundessieg. Die drei verbündeten Nationen hatten wetteifernd
ihr Bestes gethan: Eugen mit der russischen Garde, die tapferen öster-
reichischen Reiter, Friedrich Wilhelm und die Helden von Nollendorf.
Und dazu die Siegesbotschaften aus der Mark und aus Schlesien; selbst
die an Alledem ganz unschuldigen Strategen des großen Hauptquartiers
fingen an zu glauben, daß ein Erfolg doch möglich sei. Napoleon hatte
binnen einer Woche eine ganze Armee, gegen 80,000 Mann, verloren und
fand sich wieder auf derselben Stelle wie beim Beginne des Herbstfeldzugs.
Nach abermals acht Tagen traf ihn ein neuer schwerer Schlag. Die
Absicht, selber auf die preußische Hauptstadt vorzurücken hatte er aufge-
geben sobald er von Blücher's Erfolgen hörte. Während er selbst nach der
Lausitz der schlesischen Armee entgegenzog, übertrug er dem Marschall
Ney die Leitung des vierten Zuges gegen Berlin. Der tapfere Marschall,
der zu dem Unternehmen von Haus aus wenig Zutrauen hatte, versam-
melte seine Armee bei Wittenberg, warf nach blutigem Gefechte eine ver-
einzelte preußische Abtheilung zurück und marschirte am 6. September, ohne
die Nähe des Gegners zu ahnen, über die sandige Ebene auf Jüterbog. Da
stieß Bertrand mit der Vorhut auf Tauentzien's Preußen, und derweil
hier ein hitziger Kampf begann, brach Bülow der französischen Marsch-
colonne bei Dennewitz in die linke Flanke. So entspann sich eine unerwar-
tete, weit ausgedehnte Begegnungsschlacht. Bülow wagte mit 40,000 Preußen
den Kampf gegen den um die Hälfte überlegenen Feind, weil er auf das
Eingreifen des Kronprinzen rechnete, der mit der Hauptmasse der Nord-
armee in Anmarsch war. Die Franzosen standen in einem großen Bogen,
mit der Rechten nordwärts gegen Tauentzien gerichtet, mit der Linken
westwärts gegen Bülow. Der Marschall hielt auf dem rechten Flügel,
hatte nur Augen für die Vorgänge in seiner Nähe. Sobald er hier die
Seinen weichen sah, befahl er dem Corps Oudinot's vom linken Flügel
zur Unterstützung herbeizueilen. So wurde die Linke entblößt, und es
gelang Bülow, die Sachsen aus Göhlsdorf herauszuschlagen und bis
Dennewitz vorzudringen. Ueberall waren die Preußen im Vorgehen, da
verkündeten gewaltige Staubwolken das Nahen des Kronprinzen mit seinen
siebzig Bataillonen. Bei dem Anblick dieser Truppenmassen ergriff die
Geschlagenen ein jäher Schrecken, Ney's Armee stob in wilder Flucht aus-
einander.