Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Stein's und Hardenberg's deutsche Pläne. 493 
Was war entsetzlicher: Stein's schonungslose Sprache gegen den Rheinbund 
oder das Verlangen nach der Einverleibung Sachsens oder die Forderung 
eines deutschen Parlaments? Der furchtsame Gentz, der alle die schönen 
Erinnerungen seiner kräftigen Jahre längst über Bord geworfen hatte, 
klagte bereits beweglich: dieser Befreiungskrieg beginne einem Freiheits— 
kriege ähnlich zu sehen, drohe mit einer Revolution zu enden, statt mit 
einer Restauration! Das Angebot der kaiserlichen Würde reizte den öster— 
reichischen Staatsmann jetzt so wenig wie im Frühjahr. Auch England, 
Rußland, Schweden hatten ihm in den jüngsten Wochen wiederholt von 
der Erneuerung des Kaiserthums gesprochen. Der conservative Zug ward 
an den Höfen immer stärker, seit das revolutionäre Weltreich in's Sinken 
kam; unwillkürlich regte sich überall der Wunsch nach einfacher Wieder— 
herstellung der alten Zustände. Der Oesterreicher aber blieb bei seiner 
Weigerung: nimmermehr sollte sich das Haus Lothringen mit dem leeren 
Prunke einer Krone belasten, welche ihm jetzt nur noch den Haß Frank— 
reichs und der Mittelstaaten zuziehen konnte. 
Eben diese französischen Vasallen, denen alle Preußen Verachtung und 
Groll entgegentrugen, wollte Metternich um jeden Preis schonen. Er 
gedachte die deutsche Politik Napoleon's mit ihren eigenen Waffen zu 
schlagen, spielte den Gönner der rheinbündischen Höfe, erklärte sich bereit 
im Nothfalle sogar einige der kleinsten Fürsten zum Besten dieser Könige 
zu mediatisiren. Da er den Haß der Mittelstaaten gegen jede starke 
Bundesgewalt kannte, so durfte die deutsche Frage nur im freien Ein- 
verständniß mit den Rheinbundsfürsten entschieden werden. Die ver- 
trauten englisch-hannoverschen Staatsmänner überraschte er sogar durch 
die Frage: wozu überhaupt eine deutsche Bundesverfassung, die doch nur 
böses Blut errege? wie viel einfacher doch, sich zu begnügen mit „einem 
ausgedehnten System von Verträgen und Allianzen“, das die souveränen 
deutschen Staaten für den Kriegsfall zu gegenseitigem Beistande verbände! 
Darum wies er jede nähere Verabredung mit Hardenberg von der Hand 
und erreichte wirklich, daß zu Teplitz gar nichts über die deutsche Ver- 
fassung vereinbart wurde. Sein Vertrauter, Hofrath Binder, meinte 
gemüthlich: wie einst das Verfassungswerk des Westphälischen Friedens 
unmittelbar aus dem Chaos des großen Krieges emporgestiegen sei, so 
werde auch die Verfassung des Deutschen Bundes zur rechten Zeit ganz 
von selber durch die Umstände geschaffen werden. Nebenbei wurde Hum- 
boldt, der alte Freund von Gentz, der tägliche Genosse von Metternich's 
Abenteuern und Vergnügungen, bei dem Staatskanzler verleumdet. Die 
Oesterreicher haßten ihn nächst Stein als den Haupturheber der preußi- 
schen Bundespläne, und es hielt nicht schwer, dem ohnehin voreingenom- 
menen Staatskanzler zu beweisen, daß der verdächtige Mann mit Hilfe 
der „Exaltirten“ sich des Staatsruders zu bemächtigen strebe. 
Die Haltung Metternich's ergab sich nicht bloß aus der natürlichen
	        
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