Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Metternich's deutsche Pläne. 495 
Geschickt wußte die österreichische Politik dies sorglose Vertrauen des 
Bundesgenossen zu mißbrauchen. Metternich hat wohl in späteren Jahren, 
als er ernster und arbeitsamer wurde, zuweilen ein kunstvoll angelegtes, 
sein durchdachtes Ränkespiel geführt; in jener Zeit war er noch ganz der 
leichtfertig frivole Lebemann, brachte den leidenschaftlichen Gentz, der den 
Kampf gegen Preußen und Rußland mit grimmigen Ennste führte, durch 
seine träge Sorglosigkeit und seine faden Liebesabenteuer oft zur Ver- 
zweiflung. Gegen Hardenberg's kindliche Arglosigkeit genügte aber schon 
ein gemächliches Zuwarten und gelegentlich eine freundliche Lüge. Da der 
Oesterreicher jeder Erörterung der deutschen Verfassungsfrage auswich, so 
blieb der preußische Staatsmann hartnäckig in dem Glauben, die Hofburg 
werde sich doch noch bewegen lassen das gefährliche Wächteramt am Ober- 
rheine zu übernehmen. Noch mehr, er handelte, als ob seine dualistischen 
Pläne bereits die Zustimmung des Wiener Hofes gefunden hätten, und 
bewilligte vertrauensvoll, daß Oesterreich als die führende Macht Süd- 
deutschlands mit den Südstaaten über ihren Beitritt zur Coalition unter- 
handeln sollte; das schien sich ohnehin von selbst zu verstehen, da die 
österreichischen Truppen bereits an der bairischen Grenze standen. So 
wurde das Schicksal der deutschen Verfassung in Oesterreichs Hände ge- 
legt; und dies in einem Augenblicke, da der Abfall der Rheinbündler an 
dem Gange des Krieges nichts mehr ändern konnte! Von den Verträgen 
mit den Königskronen des Südens hing die Form des künftigen Deutschen 
Bundes ausschließlich ab; in Norddeutschland, dem Machtgebiete Preußens, 
war nichts zu unterhandeln, dort galt es zunächst nur den König Jerome 
und die napoleonischen Präfecten zu verjagen. Was die hoffenden Patrioten 
von der Hofburg zu erwarten hatten, das lehrte im October ein chnischer 
Aufsatz von Gentz in der Prager Zeitung: der Sieg sei der Uebergang 
aus dem Zustande der Entsagung in den Zustand der Ruhe und des 
Genusses! Das lehrten noch deutlicher die endlosen Verhandlungen über 
Stein's Centralverwaltungsrath. 
Ein Unstern schwebte von Haus aus über dieser Schöpfung des Frei- 
herrn; monatelang fand sie keine rechte Thätigkeit, da man noch wenig 
erobert hatte. Alle die fremden Mächte, die noch zu Deutschland gerechnet 
wurden, England, Schweden, Oesterreich äußerten wiederholt ihr Miß- 
trauen. Die entthronten Kleinfürsten dagegen drängten sich heran, und 
natürlich durfte der unaufhaltsame Gagern nicht fehlen; der alterprobte 
Lebensretter der Kleinstaaterei zeigte Vollmachten vor von dem Kurfürsten 
von Hessen und dem Fürsten von Oranien, forderte Sitz und Stimme 
für die beiden Herren ohne Land. Sobald Oesterreich der Allianz bei- 
getreten war, verlangte Metternich sogleich gänzliche Umgestaltung der 
verdächtigen Behörde: sie durfte nichts sein als ein militärisches Ver- 
pflegungsamt. Der russische Gesandte Alopeus, der bisher die provisorische 
Verwaltung in Mecklenburg geführt, ein vertrauter Freund der preußischen
	        
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