Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

500 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
Strome vereinigt. Drüben auf dem linken Ufer stand das Corps Bertrand's, 
Franzosen, Italiener, Rheinbündner, zwischen Wartenburg und Bleddin, 
den Augen der Preußen völlig entzogen, geschützt durch hohe Dämme und 
durch die sumpfigen Altwasser der Elbe. Gegen diese fast unangreifbare 
Stellung ließ Blücher das York'sche Corps vorgehen. York fluchte wieder 
über die Tollheit der Pläne Gneisenau's, doch er übernahm das Wag- 
niß, und nach wiederholtem vergeblichem Sturme gelang es wirklich dem 
unvergleichlichen Muthe seiner Truppen die Dämme zu ersteigen, den 
Feind zum Abzuge zu nöthigen. Abermals war ein glänzender Sieg 
allein durch die Preußen erfochten, und abermals bekamen die unglücklichen 
Württemberger die Schärfe des preußischen Schwertes zu kosten. Der 
Kampf ward mit solcher Wuth geführt, daß die schwarzen Husaren einmal 
gefangene italienische Kanoniere zwangen das Geschütz auf ihre eigenen 
Kameraden zu richten. Glückselig focht General Oppen mitten im Ge- 
tümmel; der war von der nahen Nordarmee herübergeritten und ließ sich'’s 
nicht nehmen als gemeiner Reiter mit in's Feuer zu gehen. Ein grausiger 
Anblick, wie die armen Leineweber von der schlesischen Landwehr schaaren- 
weise mit durchschossener Brust auf dem nassen Boden lagen unter den 
Obstbäumen an den Elbdeichen; vor der Schlacht hatten sie sich noch ge- 
mächlich Pflaumen geschüttelt. Als Eichhorn diese kümmerlichen Leiber 
betrachtete, in denen so viel Liebe und so viel Heldenmuth gewohnt, da 
durchschauerte ihn heilige Andacht und er erkannte was es heiße, daß der 
Herr auch in den Schwachen mächtig ist. Der höchste Preis gebührte 
doch dem Kolbergischen Leibregimente, jener tapferen Schaar, die schon an 
Gneisenau's Seite gestanden als das Gestirn des Helden zuerst aufging; 
vor dieser Truppe entblößte der gestrenge York sein Haupt, wie einst 
König Friedrich vor den Ansbach-Bayreuth-Dragonern. Blücher aber 
rief, als Abends im Wartenburger Schlosse der Becher kreiste, den Sohn 
Scharnhorst's an seine Seite, gedachte des Vaters in bewegten Worten, 
nannte sich selber bescheiden einen Handwerker, der nur ausführe was 
jener Unvergeßliche geplant. 
Die Elbe war überschritten. In einer persönlichen Unterredung be- 
wog Blücher den schwedischen Kronprinzen seinem Zuge zu folgen; der- 
weil Bernadotte in den süßesten Artigkeiten sich erging, rief der Alte seinem 
Dolmetscher zu: Sagen Sie dem Kerl, der Teufel soll ihn holen wenn er 
nicht will! Schon am 8. October stand die schlesische Armee in der Nähe 
von Düben, wenige Meilen nördlich von Leipzig, hinter ihr bei Dessau 
das Nordheer. Blücher's Vormarsch brachte Alles in Bewegung. Wäh- 
rend das böhmische Heer sich endlich anschickte auf Leipzig zu marschiren, 
nahm Napoleon seine Truppen vom rechten Elbufer zurück, mit dem Be- 
fehle vorher Alles bis auf den letzten Obstbaum zu zerstören, sicherte 
Dresden durch eine starke Garnison und eilte selber nordwestwärts, den 
beiden vereinigten Armeen entgegen. Doch Blücher wich abermals aus,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.