42 J. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
schwören; aber erst dem Enkel glückte, was der Großvater vergeblich er—
strebte, die Ernennung aller Offiziere in seine Hand zu bringen, das
erste rein monarchische Offizierscorps der neuen Geschichte zu bilden.
Sein organisatorischer Sinn, der überall die politische Reform den ge—
gebenen Zuständen der Gesellschaft anzupassen verstand, fühlte rasch heraus,
daß die abgehärteten Söhne der zahlreichen armen Landadelsgeschlechter
des Ostens die natürlichen Führer der cantonpflichtigen Bauerburschen
waren. Er stellte das Offiziercorps als eine geschlossene Aristokratie über
die Mannschaft, schuf in dem Cadettenhause die Pflanzschule für den
Sponton, eröffnete Jedem, der den gestickten Rock trug, die Aussicht auf
die höchsten Aemter des Heeres, wachte streng über der Standesehre, suchte
in jeder Weise den Adel für diesen ritterlichen Stand zu gewinnen,
während er die gelehrte Bildung des Bürgerthums lieber im Verwaltungs-
dienst verwendete. Wie oft hat er bittend und drohend die trotzigen
Edelleute von Ostpreußen ermahnt, ihre rohen Söhne in die Zucht des
Cadettenhauses zu geben; er selber ging mit seinem Beispiele voran, ließ
alle seine Prinzen im Heere dienen. Verwundert pries Karl Friedrich
Moser diese „Erbmaxime des preußischen Hauses, die den Adel an das
Militär= und Finanzsystem der Krone gewöhnen solle.“ Und es gelang,
aus verwilderten Junkern einen treuen und tapferen monarchischen Adel
zu erziehen, der für das Vaterland zu siegen und zu sterben lernte und
so fest wie Englands parlamentarischer Adel mit dem Leben des Staates
verwuchs. Ueberall sonst in der hocharistokratischen Welt der Ostseelande
blühte die ständische Anarchie: in Schweden und Schwedisch-Pommern, in
Mecklenburg, Polnisch-Preußen und Livland; nur in Preußen wurde der
Adel den Pflichten des modernen Staates gewonnen. Die Armee erschien
wie ein Staat im Staate, mit eigenen Gerichten, Kirchen und Schulen;
der Bürger sah mit Entsetzen die eiserne Strenge der unmenschlichen
Kriegszucht, welche die rohen Massen der Mannschaft gewaltsam zusammen-
hielt, ertrug unwillig den polternden Hochmuth der Leutnants und jenen
Centaurenhaß gegen die Gelehrsamkeit der Federfuchser, der seit den Tagen
des feurigen Prinzen Karl Aemil in den Offizierskreisen zur Schau ge-
tragen wurde und in der Berserkerroheit des alten Dessauers sich ver-
körperte. Und doch war dies Heer nicht bloß die bestgeschulte und best-
bewaffnete Kriegsmacht der Zeit, sondern auch das bürgerlichste unter
allen großen Heeren der modernen Völker, das einzige, das seinem Kriegs-
herrn nie die Treue brach, das nie versuchte dem Gesetze des Landes mit
Praetorianertrotz entgegenzutreten.
Ebenso unheimlich wie diese Heeresorganisation erschien den Deutschen
der preußische Schulzwang; die Unwissenheit des großen Haufens galt
den herrschenden Ständen noch für die sichere Bürgschaft staatlicher Ord-
nung. König Friedrich Wilhelm aber bewunderte, wie sein Großvater,
die protestantischen Niederlande als das gelobte Land bürgerlicher Wohl-