Schlacht bei Ligny. 745
sich die Leichen auf; jedes Haus und jeder Stall wird zu einer kleinen
Festung, bis auf die Treppen und in die Stuben der Wohnungen ver-
solgen die Wüthenden einander mit dem Bajonett. So wogt der Kampf
unentschieden dahin, durch fünf furchtbare Stunden. Aber die Preußen
verbrauchen ihre ganze Kraft; 14,000 Mann, mehr als neunzehn Ba-
taillone werden nach und nach in dies eine Dorf hineingeworfen, und
zuletzt bleibt kein einziges frisches Regiment des Fußvolks mehr übrig für
die Entscheidung. Noch war nichts verloren; noch mußte das Erscheinen
der Engländer die Schlacht wenden. Hatte doch Wellington am Nach-
mittage dem Feldmarschall abermals durch Leutnant Wussow sagen lassen,
er werde mit den soeben eingetroffenen Verstärkungen eine kräftige Offen=
sive zu Gunsten der preußischen Armee versuchen; sein Bevollmächtigter
im Blücher'schen Hauptquartiere, Oberst Hardinge versicherte noch um
7 Uhr bestimmt, in einer halben Stunde spätestens müßten seine Lands-
leute zur Stelle sein. Eine Stunde nachher ließ Gneisenau dem General
Krafft sagen, nur noch eine kleine Weile solle er sich in Ligny behaupten,
dann könne die englische Hilfe nicht fehlen.
Die Sonne neigte sich zum Untergange. Da führte Napoleon seine
wohlgeschonten Reserven, die alte Garde und eine gewaltige Reitermasse
persönlich gegen Ligny vor um das Centrum der Preußen zu durchbrechen.
Während die Grenadiere unter dem wilden Rufe: „Es lebe der Kaiser!
Kein Pardon!“ in die Dorfgasse eindringen und jetzt endlich die ermatteten
Vertheidiger zum Abzuge zwingen, umgehen einige Bataillone der Garde,
von der Dämmerung begünstigt, das Dorf auf der Ostseite. Ihnen nach,
den Bach durchreitend, sieben Regimenter schwerer Reiter, der Kern der
kaiserlichen Cavallerie, 5000 Pferde. Sie wenden sich an Ligny vorbei
gegen den Windmühlenberg von Bussy, gegen die zweite Linie der preu-
hischen Aufstellung. Blücher erkennt die Gefahr und versucht mit seiner
Lieblingswaffe den Schlag abzuwehren. Soeben noch sah man den Alten
erschöpft von der Anstrengung und dem quälenden Zweifel wie einen
gebrochenen Maun dahertraben. Jetzt flammt er wieder auf in jugend-
lichem Feuer, läßt eine Reiterbrigade, welche seitwärts hinter Ligny hält,
zum Angriff vorgehen. Die Reiter jubeln, als der alte Held, den Säbel
in der Faust schwingend, in weiten Bogensätzen auf seinem prächtigen
Schimmel heransprengt und sich selber an die Spitze stellt. Neben ihm
führt Oberstleutnant Lützow, der Freischaarenführer von 1813 das sechste
Ulanenregiment mit lautem Marsch Marsch! vor; es folgen die west-
preußischen Dragoner, die kurmärkischen und die Elb-Landwehrreiter; in
gestrecktem Laufe jagen die Rosse durch das hohe Korn. Da stutzen die
Thiere plötzlich vor einem tiefen Hohlwege, der die Felder durchschneidct,
und während die Ulanen versuchen das unvermuthete Hinderniß zu
nehmen, schlagen zwei wohlgezielte Salven in ihre aufgelösten Reihen,
Milhaud's Kürassiere hauen nach, die Preußen machen Kehrt. Auch die