68 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
Doch weder sein Haß gegen die „Goddam-Regierung", noch die über-
schwängliche Volksgunst, die ihm aus den Colonien entgegenklang, bewog
ihn jemals nur einen Schritt über das Interesse seines Staates hinaus-
zugehen. Sein alter Feind Kaunitz konnte sich noch immer den stolzen
Gang der fridericianischen Politik nur aus der unberechenbaren Arglist
einer dämonischen Natur erklären. Im Reiche aber schwand das alte
Mißtrauen nach und nach; die Nation merkte, daß nirgendwo ihre An-
gelegenheiten so sachlich und maßvoll, so wachsam und so kalt erwogen
wurden, wie in der Einsiedelei von Sanssouci.
So konnte denn das Unerhörte geschehen, daß der hohe Adel des
Reichs sich von freien Stücken um Friedrich's Fahnen schaarte. Kaiser
Joseph nahm seine bairischen Pläne wieder auf — um Preußens Macht
zu erschüttern, wie er selber eingestand; er bedrohte zugleich durch hastige
Secularisationsgedanken den Bestand seiner geistlichen Nachbarn. Ein
jäher Schrecken ergriff die kleinen Staaten, da sie also ihren natürlichen
Beschützer zum Feinde werden sahen; man berieth über einen Bund der
Mittelmächte, über eine Liga der geistlichen Fürsten, bis sich endlich die
Erkenntniß aufdrängte, daß man ohne Preußens Hilfe nichts vermöge.
Mit jugendlichem Feuer griff der alte König in den Streit ein. Alle die
lockenden Anträge, die ihm vorschlugen sich mit dem Kaiser in den Besitz
von Deutschland zu theilen, wies er weit von sich als Köder für „die
gemeine Habgier“; er bezwang seine Verachtung gegen die Kleinfürsten und
begriff, daß er ces gens-Ià nur durch strenge Gerechtigkeit an sich fesseln
konnte. Es gelang ihm, die große Mehrzahl des Kurfürstenrathes und die
meisten der mächtigeren Fürsten für seinen deutschen Fürstenbund zu ge-
winnen, die alte Reichsverfassung und den Besitzstand der Reichsstände gegen
den Kaiser zu behaupten. „Allein die Liebe zu meinem Vaterlande und
die Pflicht des guten Bürgers", so schrieb er, „treibt mich in meinem Alter
noch zu diesem Unternehmen.“ Was er in seiner Jugend geträumt, ging
dem Greise glänzender in Erfüllung; nicht mehr versteckt hinter einem
bairischen Schattenkaiser, wie einst in den schlesischen Kriegen, sondern
mit offenem Visier, trat die Krone Preußen jetzt auf den Plan, als der
Protector von Deutschland. Alle die Nachbarmächte, die auf Deutschlands
Schwäche zählten, sahen die unerwartete Wendung der Reichspolitik mit
ernster Besorgniß; Frankreich und Rußland näherten sich dem Wiener
Hofe, die Allianz von 1757 drohte sich von Neuem zu schließen. Das
Turiner Cabinet dagegen begrüßte den Fürstenbund mit Freuden als „den
Schutzgott der italienischen Staaten“.
Die Politik des Föderalismus war im Reiche seit zweihundert Jahren
nicht über halbe Anläufe hinausgekommen; nun da sie sich auf die Macht
des preußischen Staates stützte errang sie plötzlich einen großen Erfolg. Die
Erinnerung an die Zeiten Maximilian's I. und die Reformversuche Kur-
fürst Berthold's tauchte wieder auf. Der Fürstenbund war geschlossen um