Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Zweite Einnahme von Paris. 771 
sie wieder heimkehrten in die herrliche Tribuna der Ufficien. Die Brücke 
von Jena wollte Blücher in die Luft sprengen lassen — am liebsten, wenn 
sich Fürst Talleyrand vorher darauf gesetzt hätte; nur das Einschreiten der 
Monarchen vereitelte die Absicht. 
Das Hauptquartier blieb zu St. Cloud. In jenem Saale der 
Orangerie, wo einst der Staatsstreich des Brumaire vollführt wurde, 
schlugen die preußischen Regimentsschneider ihre Werkstatt auf; zum Ab- 
schied nahm der Feldmarschall noch das David'sche Bild von Bonaparte's 
Alpenzug mit hinweg und schenkte es seinem König für das Berliner 
Schloß. In Paris führte der Gouverneur Müffling ein strenges Regiment, 
über die Truppen wie über die ewig scheltenden und jammernden Quar- 
tierwirthe. Unter ihm gebot der Commandant Oberst Pfuel, ein eifriger 
Teutone, hochgerühmt auf allen Turn= und Schwimmplätzen der nord- 
deutschen Jugend; dem handfesten Manne kam es nicht darauf an, einem 
schimpfenden Franzosen sogleich mit der nationalen Waffe, dem Floret, 
Satisfaction zu geben. Er hatte einen schweren Stand unter dem siebe- 
risch aufsgeregten Volke; häufig wurden die preußischen Wachtposten Nächtens 
angefallen, mehrmals mußten sie in den Arcaden des Palais Royal mit 
der Waffe einschreiten, wenn der herausfordernde Hohn der Gäste in den 
Cafehäusern gar zu übermüthig wurde. 
Einen seltsamen Gegensatz zu dem scharfen, doch keineswegs ge- 
waltthätigen Auftreten der Preußen bildete Wellington's berechnete Milde. 
Der Herzog ließ seine Truppen im Freien beim Boulogner Gehölz lagern 
vermied Alles was die Pariser Eitelkeit irgend kränken konnte, und voll- 
endete unterdeß in aller Gelassenheit einen Meisterstreich britischer Diplo- 
matie, der dem gewandtesten Londoner Stockjobber zur Ehre gereichte. 
Wie er die Dinge ansah, verstand sich's ganz von selbst, daß Englands 
Wille in diesem Coalitionskriege allein entscheiden mußte. Ohne bei den 
verbündeten Höfen auch nur anzufragen ließ er den Bourbonen, unter dem 
Schutze der englischen Bajonette, in die Tuilerien einziehen. Als die drei 
Monarchen am Abend des 10. Juli in Paris eintrafen, saß König Ludwig 
schon seit zwei Tagen wieder auf seinem Throne und empfing sie als 
leutseliger Hausherr. Fouché, der rasch merkte, woher der Wind wehte, 
hatte sich den Bourbonen noch rechtzeitig angeschlossen und dafür gesorgt, 
daß die Kammern des Kaiserreichs sich nicht wieder versammelten. Was 
frommte es, daß Blücher jede Einladung König Ludwig's ausschlug, daß 
die preußischen Wachen in den Tuilerien den Hof gar nicht bemerken 
wollten? Die zweite Restauration war vollzogen, durch England allein; 
an die Wiedervertreibung der Bourbonen konnte keine der anderen Mächte 
im Ernst denken. Durch diese vollendete Thatsache vereitelte die britische 
Politik zugleich die gerechten Forderungen der deutschen Nation. Die Ab- 
trennung von Elsaß-Lothringen war möglich, wenn die Alliirten sich zu- 
nächst unter sich einigten und dann den Bourbonen in das verkleinerte 
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