Hänleins dualistischer Plan. 137
berechtigt, mit der Macht und dem Ansehen eines wirklichen „Oberhauptes“
die gemeinsame Leitung des Bundes.“)
Als Hänlein im März auf kurze Zeit nach Frankfurt kam, ward er
von Buol mit offenen Armen aufgenommen und legte seine Denkschrift
sofort dem treuen Freunde, nachher auch dem älteren Wessenberg vor, der
als Mitglied der Territorialkommission in Frankfurt weilte. Buol er-
klärte mündlich mit gewohnter Überschwänglichkeit sein herzliches Einver-
ständnis; Wessenberg dankte in einem verbindlichen Billet für das vor-
treffliche Memoire und schloß: „Kommen Ew. Ex. bald mit Instruktionen
zurück, die Ihren Ansichten entsprechen, und es wird schon viel gewonnen
sein!“ Solcher Erfolge froh eilte Hänlein jetzt nach Berlin, entwickelte
seinen großen Plan nochmals in einer ausführlicheren Denkschrift,“) be-
teuerte heilig, der Zustimmung des Wiener Hofes gewiß zu sein. Harden-
berg aber nahm die unwahrscheinliche Versicherung für bare Münze; den
österreichischen Freunden gegenüber blieb der Vielerfahrene immer kindlich
arglos, er wollte nicht glauben, daß Metternichs so oft wiederholte vertrau-
liche Außerungen über die Notwendigkeit der deutschen Zweiherrschaft
nur leere Worte waren. Er ließ also durch Hänlein einen förmlichen
Staatsvertrag ausarbeiten, der zwischen den beiden Großmächten sofort
vereinbart und dann den vertrauten kleinen Höfen als vollendete Tat-
sache vorgelegt werden sollte. Da der Staatskanzler, seiner alten Ansicht
getreu, die Bestimmungen über den deutschen Kaiser= und Königstitel strich,
so beschränkte sich der Entwurf auf zwei Hauptforderungen: Gleichstellung
der beiden Großmächte am Bundestage, dergestalt, daß Osterreich den
Vorsitz übernimmt, Preußen aber, wie vormals Kurmainz, das Protokoll
führt und die Beschlüsse ausfertigt; sodann Unterordnung der ganz kleinen
norddeutschen Kontingente unter Preußens, der süddeutschen unter Oster-
reichs Oberbefehl. Den letzteren Vorschlag führte eine Denkschrift des
Kriegsministers Boyen näher aus. Sie vermied sorgsam jede Kränkung
des Selbstgefühls der Mittelstaaten und verlangte nur was schlechthin
unerläßlich war um das deutsche Bundesheer vor der baren Anarchie zu
bewahren: Mecklenburg, Kurhessen, Anhalt, Nassau und ein Teil der
thüringischen Staaten sollten sich an Preußen anschließen, Baden, Darm-
stadt, Liechtenstein an das österreichische Heer; die übrigen winzigen Kon-
tingente wurden teils den vier kleinen Königreichen, teils einem beson-
deren niederdeutschen Korps zugewiesen.*) Mit diesen Aufträgen kehrte
Hänlein gegen Ende Juni nach Frankfurt zurück; so lange währte es bis
Hardenberg inmitten der massenhaften Verwaltungsgeschäfte dieser Über-
gangszeit einen freien Augenblick für die Bundesangelegenheiten fand.
*) Hänleins Bericht und Denkschrift an den Staatskanzler, 23. Januar 1816.
*“) Wessenberg an Hänlein, 11. März. Hänleins Bericht und Denkschrift an Har-
denberg, 24. März 1816.
*““) Boyen, Gedanken über die Militär-Verfassung von Deutschland.