Die ehrlichen Föderalisten. 141
unzählige andere Angelegenheiten sollten den Bundestag beschäftigen, auf
dessen Tische der entzückte Luxemburger schon Krone und Szepter liegen
sah.“) Aber auch die Ruhigen in diesem kleinstaatlichen Kreise erfüllte
ein unermeßlicher Dünkel. Der alte Wahn der deutschen Libertät schmückte
sich mit neuen Federn. Durch die schrankenlose Souveränität waren Lippe,
Lübeck und Preußen einander völlig gleichgestellt; kein Zweifel also, daß
dies Nebeneinander von neununddreißig vollkommen gleichen und vollkommen
selbständigen Staaten ganz von selbst, allein durch die Wunderkraft der
Einigkeit, eine großartige politische Wirksamkeit entfalten mußte, wenn man
nur jedem einzelnen Bundesgliede sorgsam verbot einen gefährlichen über—
mächtigen Einfluß auszuüben!
Selbst der nüchterne Republikaner Smidt, der in allen Angelegen—
heiten seines geliebten Bremens stets den sicheren und weiten Blick des
echten Staatsmannes bewährte, selbst dieser bedeutendste Kopf der Frank—
furter Versammlung lebte sich bald ein in die Traumwelt des Föderalismus
und setzte den redlichen patriotischen Eifer, der ihn selber beseelte, arglos
auch bei seinen Genossen voraus. Wie herrlich, daß nunmehr ganz Deutsch—
land eine große Staatenrepublik bildete und die Souveränität von den
Einzelnen ausging! Nur sollten diese souveränen Einzelnen auch nach re—
publikanischer Art durchaus als Gleiche behandelt werden; denn warum
konnte nicht auch in Deutschland „das Heil so gut von Nazareth wie von
Jerusalem kommen“? Die souveränen Hansestädte mußten endlich „aus
der Roture heraus“, sie durften sich nicht mehr mit so bescheidenen Um—
gangsformen begnügen, wie einst da sie noch den kaiserlichen Adler auf
ihren Münzen führten; das ging doch nimmermehr an, daß der olden—
burgische Nachbar einen Hohen Bremer Senat auch fürderhin in Reskrip—
tenstile mit seinem unehrerbietigen „Wir Peter“ anredete! Der Hoffnungs-
volle sah in diesem Bunde der Gleichen das Mittel die deutschen Groß-
mächte zur Gerechtigkeit zu erziehen und behauptete: „große Staaten bringen
Kraft und Stärke in den Bund, die kleineren Liebe zur Gerechtigkeit und
Konstitutionsfähigkeit.“ Doch hütete er sich wohl, näher anzugeben, warum
Mecklenburg konstitutionsfähiger war als Preußen? und welche Art von
Gerechtigkeit der König von Preußen bei dem hessischen Kurfürsten, dem
hannoverschen Prinzregenten oder dem württembergischen Könige lernen
sollte?
Ihren literarischen Widerhall fanden die Meinungen dieser wohlge-
sinnten Föderalisten in der Schrift von Heeren „Der Deutsche Bund in
seinem Verhältnis zu dem europäischen Staatensysteme.“ Der Göttinger
Historiker, ein achtungswerter Vertreter der alten, dem Leben entfrem-
deten Stubengelehrsamkeit, hatte sich kürzlich eine Weile in Frankfurt auf-
gehalten, mit Smidt und den anderen Bundesgesandten viel verkehrt und
*) Gagern an Metternich und Hardenberg, 3. Mai. Hardenbergs Antwort, 18. Juni 1816.