Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Karlsbader Konvention. 161 
Über die Einteilung des Bundesheeres vermochten die Unterhändler 
in Karlsbad sich nicht zu einigen. Nur eine ganz allgemein gehaltene 
Übereinkunft, nur der Entwurf eines Entwurfs kam zustande: die Bun- 
desstaaten verpflichten sich, in Kriegszeiten zwei Prozent der Bevölkerung 
zum Bundesheere, und außerdem ein Prozent Ersatztruppen zu stellen; 
wird der Bundeskrieg erklärt, so legen die Kontingente der Bundesstaaten 
ein gemeinsames Abzeichen an und der Bundestag wählt einen Staat, der 
seinerseits den Bundesfeldherrn ernennt. Dieser Staat konnte nur Oster- 
reich sein. Boyen gewährte das Zugeständnis, weil er voraussah, daß die 
Natur der Dinge trotzdem wieder, wie im letzten Kriege, die Teilung des 
Kriegstheaters erzwingen würde. Um das kümmerliche Ergebnis der Karls- 
bader Konferenz durch einige bestimmtere Abreden zu ergänzen und über- 
haupt ein gemeinsames Vorgehen der beiden Großmächte am Bundestage 
zu vereinbaren, wurde im Dezember noch Geh. Rat Jordan nach Wien 
gesendet; aber auch er erlangte nur unsichere Zusagen. 
Unterdessen hatten die österreichischen Diplomaten das Geheimnis der 
Karlsbader Übereinkunft schon längst den kleinen Höfen verraten. Schon 
vierzehn Tage nach dem Abschluß, lange bevor der preußische Bundesge- 
sandte selbst von den Karlsbader Verhandlungen etwas ahnte, waren die 
süddeutschen Kabinette bereits unterrichtet. Ein jäher Schrecken ergriff 
die Souveräne, das Gespenst der deutschen Zweiherrschaft stand drohend 
vor den Toren. Der Kurfürst von Hessen eilte sofort nach Darmstadt, 
der Großherzog von Baden nach Homburg zum Könige von Württemberg; 
die vier Fürsten verschworen sich, jedem Übergriffe der Großmächte vereint 
entgegenzutreten. Als der Bundestag im Herbste nach seinen ersten Ferien 
wieder zusammentrat, fand Graf Goltz, der erst im November amtlich unter- 
richtet wurde, die Stimmung der Versammlung wunderbar aufgeregt und 
verbittert.') Erst am 15. Januar 1818 wagte Buol die Karlsbader Kon- 
vention als einen Präsidialantrag dem Bundestage vorzulegen. Um die 
entrüsteten Hörer zu beschwichtigen, beteuerte er, daß er damit nur das 
Feld für die freie Beratung eröffnen wolle; zwei Gesichtspunkte müßten 
bei der Verhandlung festgehalten werden: „die vollkommene Würdigung 
der Souveränität der deutschen Staaten und die Rücksicht auf ein wirk- 
sames Verteidigungssystem.“ Dann überreichte er noch einen ungeheuer- 
lichen Entwurf für die Einteilung des Bundesheeres, der eine Friedens- 
stärke von nur 120,000 Mann verlangte und den beiden Großmächten je 
ein Armeekorps von 41,500 Mann zuwies; die übrigen 37,000 Mann 
sollten in neun Korps zerfallen, also daß jeder Mittelstaat von Bayern bis 
auf Luxemburg herab sich den Hochgenuß eines kommandierenden Generals 
gönnen konnte. Die Perle dieser elf Korps war das elfte, das 2606 Luxem- 
  
*) Goltzs Berichte, 8. Oktobr., 25. Novbr. 1817; dessen Übersicht über die Bundes- 
verhandlungen v. 13. April 1819. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 11
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.