Wirkungen der allgemeinen Wehrpflicht. 231
ihrer viele auch erst in die deutsche Sprache eingeführt. Mochte der
rheinische Bauer immerhin von seinem im Heere dienenden Sohne be-
dauernd sagen: „er ist bei de Prüß", und mancher Soldat aus der Pro-
vinz Sachsen wehmütig über den „fremden Dienst“ klagen — die mili-
tärische Manneszucht schlug den Jungen doch gut an. Arndts völker-
kundiger Blick bemerkte bald, wie auffällig sich die Jugend dieser Provinzen
von den Stammgenossen in den Kleinstaaten zu unterscheiden begann.
Hier noch ein gemütliches bequemes Philistertum, dort das bei den Nach-
barn übel berufene, stramme „preußische Wesen“, eine kurz angebundene,
dreiste Entschlossenheit, die zuweilen sehr unliebenswürdig werden konnte,
aber dem Charakter eines edlen Volkes besser anstand als die gedrückte
Schüchternheit der alten Zeit des ungestörten häuslichen Lebens. Durch
ihr Heer gewannen die Preußen wieder, was keine große Nation auf die
Dauer entbehren kann, den nationalen Stil, die stolze Sicherheit des Auf-
tretens. Und der Stolz dieses Volkes in Waffen war deutsch von Grund
aus; er wurzelte in dem Bewußtsein, daß am letzten Ende Deutschlands
Schicksal an den schwarzundweißen Fahnen hing. —
Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht entsprang einem politischen
Idealismus, der an die Energie des antiken Staatsbegriffs erinnerte. Die-
selbe freie und weitherzige Auffassung der Pflichten des Staates bekundete
sich auch in der Unterrichtsverwaltung. Bei allen, welche diese letzten Jahre
mit Bewußtsein durchlebt hatten, stand die Uberzeugung fest, daß die endlich
vollzogene Versöhnung des preußischen Staates mit der neuen Bildung der
Nation für immer dauern müsse. Es galt, das mit der Stiftung der
Berliner Hochschule begonnene Werk weiter zu führen, die altpreußische
Idee der allgemeinen Schulpflicht vollständig zu verwirklichen, auch die
niederen und mittleren Lehranstalten mit dem Geiste der neuen Wissen-
schaft zu erfüllen und also dem Staate Friedrichs in dem geistigen Leben
der Nation eine seines Waffenruhms würdige Stellung zu gewinnen.
In den dreiundzwanzig Jahren der Verwaltung des Freiherrn von Alten-
stein ist diese Aufgabe im wesentlichen gelöst worden. Der Staat, der
so lange in seinen harten Daseinskämpfen die Wissenschaft hatte darben
lassen, gelangte allmählich dahin, daß er nach Verhältnis seiner Mittel für
die Volksbildung mehr als irgend eine andere Großmacht aufwendete und
seine Unterrichtsanstalten den besten Europas vergleichen durfte; er wider-
legte durch die Tat das wunderliche, aus den krankhaften Erfahrungen
der heimischen Geschichte entsprossene deutsche Vorurteil, als ob der Reich-
tum des geistigen Lebens nur in der Enge kleiner Staaten gedeihe. Ein
geborner Franke und von Haus aus den liberalen Ansichten der Harden-
bergischen Beamtenschule zugetan, verstand Altenstein doch immer sich den
Ideen überlegener Köpfe anzuschmiegen, so daß selbst Stein, der mit den
fränkischen Anschauungen so wenig gemein hatte, den geistreichen Beamten
gern zum Entwerfen seiner Gesetze benützte und stets sicher war seine