Das Verfassungs-Versprechen. 279
versprachen sodann die Besitzergreifungspatente den Schwedisch-Pommern
und, im wesentlichen gleichlautend, den Sachsen: „die ständische Verfassung
werden Wir erhalten und sie der allgemeinen Verfassung anschließen,
welche Wir Unserem gesamten Staate zu gewähren beabsichtigen.“ Auch
den übrigen neuen Provinzen wurden Provinzialstände und Teilnahme
an den Reichsständen zugesagt. Das königliche Wort war verpfändet,
und stürmisch forderte die patriotische Presse, deren Gedanken sich allein
um das konstitutionelle Ideal bewegten, die Einlösung des Versprechens.
Rasches Handeln schien den Ungeduldigen um so mehr geboten, da die
interimistische Nationalrepräsentation, welche den alten Provinzen die letzten
Jahre über als gemeinsames ständisches Organ gedient, im Sommer 1815
endlich aufgelöst wurde. Diese Versammlung selbst hatte noch kurz vor
ihrem Ende, am 7. April, auf den Antrag des oberschlesischen Deputierten
Elsner von Gronow beschlossen, den König um schleunige Einführung einer
definitiven Landesrepräsentation und Wiederbelebung der Provinzialstände
zu bitten.“)
Als Hardenberg den König in Wien zur Gewährung jener verhäng-
nisvollen Zusage bewog, stellte man sich die Erfüllung noch sehr leicht
vor; der erste Vorschlag ging dahin, daß schon am 1. Juni unter dem
Vorsitz des Staatskanzlers eine aus Beamten und aus Eingesessenen der
Provinzen gebildete Kommission zusammentreten und bis zum 1. Sept.
die preußische Verfassung zustande bringen sollte. Dies Außerste des
Leichtsinns wurde noch glücklich abgewendet, da der Krieg vor der Tür
stand; die Verordnung schob den Zusammentritt der Verfassungskommission
auf den 1. September hinaus. Aber auch dieser Zeitpunkt konnte nicht
eingehalten werden, weil der König und seine Räte den Pariser Kongreß
nicht verlassen durften. Als sie endlich heimkehrten, da mußten sie nicht
nur die Verfassungsarbeit abermals vertagen wegen der unaufschieblichen
Verwaltungsorganisation; es zeigte sich auch bald, daß jene von den Libe-
ralen so hoch gepriesene Verordnung nichts anders war als eine unver-
antwortliche Leichtfertigkeit Hardenbergs, der schwerste von allen seinen poli-
tischen Fehlern. Im Jahre 1808 hatten allerdings auf Steins Veran-
lassung Vincke, Schön und Staatsrat Rhediger einige Entwürfe und
Vorschläge für die künftige Verfassung niedergeschrieben; doch von alledem
war wenig mehr zu gebrauchen seit das Staatsgebiet sich verdoppelt hatte.
Die neue Verordnung selber bot auch keinen festen Anhalt, ja sie erwies sich,
sobald man schärfer zusah, als eine Kette von Rätseln und Widersprüchen.
Die Provinzialstände, so befahl sie, sollten hergestellt und aus ihnen der
allgemeine Landtag gewählt werden Aber bestanden denn wirklich noch
Stände, welche als eine Vertretung der soeben erst neugebildeten Pro-
vinzen gelten konnten? Besaßen sie noch unbestrittene Rechte? Wie sollte
*) Protokolle der Interimistischen Landesrepräsentation, 7. April 1815.